In der Vorstellung der meisten Menschen sind die wichtigsten Einnahmequellen von Non-Profit-Organisationen (NPO) Spenden von privaten Personen und staatliche Leistungsbeiträge. Dabei wird oft vergessen, dass NPO durchaus auch wirtschaftlich tätig sind und damit eigene Erträge erwirtschaften.
In Deutschland sind gemäß der ZiviZ-Studie die erwirtschafteten Einnahmen die zweitwichtigste Kategorie nach den Mitgliederbeiträgen, noch vor den Spenden. Trotz ihrer Wichtigkeit haben eigene Erträge in NPO einen schlechten Ruf. Dies liegt vor allem daran, dass NPO häufig in ein Dilemma zwischen Erwartungen und realen Möglichkeiten geraten, was nicht selten in einem „mission drift“, der Vernachlässigung des eigentlichen Zwecks, endet.
NPO veranstalten Konzerte, Sport-Events, Aus- und Weiterbildungen, sie führen Restaurants, Hotels und Supermärkte, betreiben Freibäder, Museen und Bildungsstätten, Bauernhöfe, Naturparks und Schutzgebiete, sie bieten Betreuungs- und Beratungsleistungen, Finanztransaktionen oder IT- Lösungen an, sie organisieren Gemeinschaftswerbung, Verhandlungen und Mediationsprozesse. Diese Aufzählung könnte noch um einige weitere Aktivitäten ergänzt werden. Aus all diesen Aktivitäten lassen sich eigene Erträge generieren – selbst wenn dies oftmals nicht die ursprüngliche Intention war.
Wie die vielen Beispiele zeigen, sind bei NPO eigene Erträge über Leistungen und Aktivitäten gar nicht so unüblich. Dennoch gibt es nicht wenige Fälle, in denen NPO gerade an diesen erwirtschafteten Einnahmen scheitern und die erhofften Gewinnbringer oftmals mit Mitteln aus anderen Aktivitäten quersubventioniert werden müssen, um die Verluste zu decken. Der Klassiker in dieser Hinsicht sind Restaurants und Gastbetriebe, wie im folgenden Abschnitt verdeutlicht wird.
Finanzmanagement in Non-Profit-Organisationen
Georg von Schnurbein,
Springer Gabler.
422 Seiten, 64,99 Euro,
eBook 49,99 Euro
Prof. Dr. Georg von Schnurbein ist Professor für Stiftungsmanagement an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät und Direktor des Center for Philanthropy Studies (CEPS) der Universität Basel, das er 2008 gegründet hat. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf Wirkungsmessung, Finanzmanagement von NPO und Non-Profit Governance. Er ist Mit-Herausgeber des Swiss Foundation Code und des jährlich erscheinenden Schweizer Stiftungsreports. Zuletzt erschienen ist sein Lehrbuch „Finanzmanagement in Non-Profit-Organisationen“ im Verlag Springer Gabler.
Das Dilemma der NPO
Für das Verständnis der eigenen Erträge von NPO sind zwei ökonomische Konzepte von besonderer Bedeutung: Opportunitäts- und Transaktionskosten. Opportunitätskosten bezeichnen den entgangenen Nutzen einer nicht gewählten oder nicht getätigten Alternative. Vereinfachend ausgedrückt sind es Kosten für entgangene Gewinne, wobei diese Kosten nie real entstehen, sondern nur dazu dienen, den vermeintlichen Ausfall zu quantifizieren. Bei Transaktionskosten hingegen handelt es sich um Kosten, die bei der Übertragung von Gütern oder allgemein Leistungen entstehen. Transaktionskosten fallen an, weil in jedem Gütertausch ein gewisses Maß an Unsicherheit besteht. Deshalb müssen Maßnahmen ergriffen werden, die wiederum selbst Ressourcen (Zeit oder Geld) binden. Im Gegensatz zu Opportunitätskosten fallen Transaktionskosten tatsächlich an, auch wenn sie sich nicht immer vollständig abbilden lassen (insbesondere nicht der Zeitaufwand).
Das Dilemma der NPO bei der Erwirtschaftung von eigenen Erträgen besteht nun darin, dass die Opportunitätskosten oft überschätzt und die Transaktionskosten unterschätzt werden. Am Beispiel eines Restaurants lässt sich das sehr schön deutlich machen. Nehmen wir an, eine Bildungseinrichtung veranstaltet einen Tag der offenen Tür. Die Verpflegung der Gäste wird in Eigenregie mit Unterstützung der Lernenden übernommen. Der Tag wird ein voller Erfolg und zur allgemeinen Überraschung bleibt am Ende ein ordentlicher Gewinn aus dem Verkauf von Essen und Getränken übrig. „Warum machen wir das nicht regelmäßig?“, lautet die Frage in der nächsten Geschäftsführungssitzung und man beschließt, viermal im Monat ein Mittagsangebot umzusetzen. Wieder sollen die Lernenden selbst mitwirken – auf freiwilliger Basis.
Die Aktion ist ein Erfolg – für die Gemeinschaft und die Finanzen – und schon entsteht die Idee, ein eigenes Mensaangebot an fünf Wochentagen auf die Beine zu stellen. Die Räumlichkeiten sind vorhanden, die Lernenden als Kundschaft auch, und das Pilotprojekt hat ja gezeigt, dass dafür ein reges Interesse besteht. Natürlich gilt es, ein paar Dinge zu berücksichtigen. Die Bestuhlung muss erneuert werden, weil es im Gegensatz zum Pilotprojekt nicht mehr ganz so zusammengestückelt wirken soll. Außerdem braucht es festes Personal, denn die Lernenden können nicht fünf Tage freiwillig eine Mensa führen.
Das Projekt schreitet weiter voran und es tauchen neue Herausforderungen auf: Es muss eine behördliche Genehmigung für einen Restaurationsbetrieb eingeholt werden, der Brandschutz muss überprüft werden und es müssen Verträge mit Lieferanten geschlossen werden. Diese und weitere Hürden werden genommen und es kommt der große Tag der Eröffnung. Die Mensa ist voll und alle freuen sich über den großartigen Erfolg. Doch schon nach zwei Wochen kommen erste Misstöne auf. Manchen Lernenden passt das Angebot nicht, andere finden es zu teuer und wieder andere wünschen sich längere Öffnungszeiten. Die Anzahl der verkauften Mittagessen sinkt rapide ab und es werden erste Änderungen vorgenommen. Statt drei Gerichten werden nur noch zwei pro Tag angeboten und es folgt ein dringender Aufruf, dass mehr Lernende sich freiwillig in der Mensa engagieren müssen. Aber der Trend lässt sich nicht mehr umkehren und nach einem Jahr wird die Mensa sang- und klanglos geschlossen und die NPO hat statt Gewinnen sogar noch Verluste eingefahren, die nun anderweitig gedeckt werden müssen.
Lösungsansätze für nachhaltig erwirtschaftete Einnahmen
So oder ähnlich geschieht es sehr häufig. Im Beispiel überwiegt zu Beginn die Wahrnehmung der Opportunitätskosten. Es erscheint sehr einfach, durch eigene Leistungen Gewinne zu erwirtschaften. Dies hängt aber damit zusammen, dass sich die NPO weiterhin im „Non-Profit-Modus“ befindet, wo sie auf Spenden (z. B. freiwilliges Engagement) und Sonderregeln (z. B. für die Restauration an einem Tag der offenen Tür) setzen kann. Aus dieser Perspektive erscheinen die entgangenen Gewinne, wenn man nicht selbst ein Restaurant führt, sehr hoch. Ist die Entscheidung zur Umsetzung gefallen, fallen plötzlich Transaktionskosten an. In die Planung und Vorbereitung des Restaurants müssen viel Zeit, Geld und andere Ressourcen gesteckt werden. Die Aussichten auf die zukünftigen Erträge und Gewinne lassen die NPO diese Kosten als notwendiges Übel akzeptieren.
Aber auch während des Betriebs des Restaurants fallen Transaktionskosten an, die höher sind als zuvor. Denn nun befindet sich die NPO im „Profit-Modus“, d. h., die Kunden stellen Ansprüche, sie wollen für den Preis die entsprechende Leistung und wägen nach eigenen Kosten-Nutzen-Prämissen ab, ob ihnen das Angebot zusagt oder nicht. Das Dilemma der NPO ist, dass sich die Opportunitäten nie realisiert haben, die Transaktionskosten jedoch voll zu Buche schlagen.
Wie kann eine NPO diesem Dilemma entgehen? Durch solide Planung und Analyse der Finanzen, beispielsweise mit einer Break-even-Analyse, werden Sie sich denken. Das ist natürlich richtig, aber selbst Unternehmen tätigen Fehlinvestitionen, daher wäre diese Antwort alleine unbefriedigend. Eine Lösung, wie NPO besser mit eigenen Erträgen wirtschaften können, ist eine Unterscheidung nach dem Missionsbezug, wie am Beispiel einer Kultureinrichtung gezeigt werden kann. Eingebundene Erträge werden durch Leistungen erwirtschaftet, die unmittelbar mit dem Zweck der NPO verbunden sind und meist direkt von der Zielgruppe entrichtet werden (z. B. Konzerteintritt). Integrierte Erträge werden durch Leistungen erwirtschaftet, die zwar mit dem gemeinnützigen Zweck verbunden sind, aber einen kommerziellen Charakter haben (z. B. Lizenzgebühren für Konzertaufnahmen).
Schließlich gibt es zweckfremde Erträge ohne Bezug zum gemeinnützigen Zweck (z. B. Entwicklung und Verkauf von Souvenirprodukten). Die Leistungen der letzten Kategorie haben keinen direkten Bezug zum gemeinnützigen Zweck, sondern beinhalten vielmehr die Gefahr, dass ihnen zu viel Aufmerksamkeit und Ressourcen gewidmet werden, die dann für die eigentliche Zweckerfüllung fehlen. Die Einnahmen aus dem Souvenirstand sind für das Orchester sicherlich interessant, aber die Planung, Vorbereitung und Vermarktung brauchen Ressourcen, die dann nicht für die eigentliche künstlerische Arbeit eingesetzt werden können. Würde dann beispielsweise ein Probenraum zum Souvenirshop umgenutzt werden, könnte das als „mission drift“, also die Vernachlässigung des eigentlichen Zwecks, interpretiert werden.
Erfolgsfaktoren für eigene wirtschaftliche Erträge
Alternativ lassen sich die Marktleistungen von NPO danach unterscheiden, wie sehr die wichtigste Zielgruppe in die Leistungserstellung eingebunden ist. Danach sind Marktleistungen von NPO dann langfristig erfolgreich, wenn sie der Leistungserfüllung bei der Zielgruppe dienen. Dabei werden drei Konstellationen unterschieden: Im ersten Fall stellt die wichtigste Zielgruppe die Konsumenten der Marktleistung (z. B. Beratungsangebot). In diesem Fall besteht oftmals das Problem, dass die Kosten der Leistungen nicht vollständig gedeckt werden können, da die NPO ja zur Unterstützung der Zielgruppe gegründet wurde und diese die Leistungen unter Marktbedingungen nicht bezahlen kann. Es gibt aber Ausnahmen, beispielsweise Mitglieder von Wirtschaftsverbänden, die die Rechtsberatung beim Verband individuell nach Inanspruchnahme bezahlen.
In der zweiten Konstellation arbeitet die Zielgruppe in der Leistungserstellung mit, d. h. die Marktleistung generiert einen Nutzen für die Zielgruppe und erwirtschaftet gleichzeitig Erträge. Viele Organisationen im Bereich der Arbeitsintegration wenden diesen Ansatz sehr erfolgreich an.
Die dritte Konstellation sieht den Bezug zum Zweck im Produkt oder der Dienstleistung selbst. Dies ist vor allem dann möglich, wenn sich die NPO für generelle soziale oder ökologische Themen einsetzt. Das Angebot ökologischer Stadtführungen kann beispielsweise von einem Verein ertragsorientiert aufgestellt werden.
Im Ergebnis bieten beide Kategorisierungen die gleiche Antwort: Eigene Erträge für NPO sind dann sinnvoll und nachhaltig, wenn sie einen Bezug zum Organisationszweck aufweisen. Ansonsten ist die Gefahr zu groß, dass es – mit Blick auf den gemeinnützigen Zweck der NPO – zu Fehlentscheiden kommt, die „mission drift“, Verluste und Quersubventionen aus Spenden oder andere negative Folgen haben können. Besteht eine Verbindung zum Organisationszweck, dann reduzieren sich automatisch die Transaktionskosten, während gleichzeitig die Angst vor entgangenen Gewinnen schwindet, da die Leistung in jedem Fall zum übergeordneten Ziel der NPO beiträgt.