Suche
Die Digitalisierung der Arbeitswelt schürt bei vielen Beschäftigten Ängste vor dem Jobverlust. Speziell Menschen mit Behinderung aber haben guten Grund, den technologischen Strukturwandel als Chance für Beschäftigung und Integration wahrzunehmen. Notebooks, Lernplattformen und barrierefreie Software erleichtern den Betroffenen schon heute den Arbeitsalltag und eröffnen ganz neue Betätigungsfelder. Entscheidend sind Bereitschaft und Knowhow, Arbeitsplätze entsprechend anzupassen. Die Unternehmen sind gefragt, aus dieser Herausforderung eine Win-wWin-Situation zu machen, verdeutlicht eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW).
Eine repräsentative Online-Befragung von 1.226 Unternehmen aus Industrie und Dienstleistung liegt der Untersuchung zugrunde. Insgesamt 55 Prozent aller Unternehmen hierzulande haben in den zurückliegenden fünf Jahren einen behinderten Mitarbeitenden beschäftigt, davon gut zwei Drittel (70 %) einen Schwerbehinderten. Dabei fallen zwei Aspekte auf: Der Personenkreis behinderter Beschäftigter nimmt mit der Unternehmensgröße zu. Und: „Inklusion ist in Zeiten der Digitalisierung kein Randthema, sondern für Unternehmen eine wichtige Komponente.“
Körperliche Behinderungen führen die Tabelle an (35 %), gefolgt von Lernbehinderungen (27 %), Sinnesbehinderungen (z. B. sehen, hören: 17 %), psychischen Behinderungen (7 %) und geistiger Behinderung (3 %).
Knapp ein Drittel (29,8 %) aller Unternehmen, die in den vergangenen fünf Jahren Menschen mit Behinderung beschäftigt haben, sehen in der Digitalisierung gute Arbeitsmarktchancen für diesen Personenkreis, ermittelte die IW-Erhebung. 20 Prozent dieser Unternehmen gaben an, digitale Technologien gezielt einzusetzen, um behinderte Mitarbeitende in ihren Aufgaben zu unterstützen. „Damit lässt sich vermuten, dass es durchaus die Digitalisierung ist, die förderlich für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung ist. Durch die digitalen Hilfsmittel wird es einfacher, Menschen mit Behinderung einzustellen.“
Die Studie macht solide Trends sichtbar. Wo die Digitalisierung auf dem Weg ist und die Verantwortlichen über Wissen um behindertengerechte Arbeitsgestaltung verfügen, werden die Beschäftigungschancen für Behinderte und Ältere positiv eingeschätzt. So achten Unternehmen mit einem erhöhten Anteil älterer Mitarbeiter zum Beispiel gezielt auf barrierefreie Hard- und Software.
Die befragten Unternehmen geben klare Auskunft, welche digitalen Technologien im Arbeitsalltag behinderter Menschen von besonderer Relevanz sind: mobile Endgeräte (z. B. Smartphones, Tablets, 62 %) zum ortsunabhängigen Arbeiten, Online-Kommunikationsdienste zum Informationsaustausch im Team und mit Kunden (59 %), betriebsinterne Verwaltungssoftware (56 %) und digitale Weiterbildungsangebote (55 %).
„Neue digitale Technologien schaffen für Menschen mit Behinderung wesentlich mehr Erleichterung im Arbeitsleben als dass sie neue Barrieren und Hürden aufbauen“, sind die Studienautor*innen überzeugt. Und für viele Mitarbeitende mit Behinderung ändert sich mit der Digitalisierung der Betriebsalltag nichts, weder zum Vor- noch zum Nachteil, sind viele befragte Unternehmen überzeugt. „Dies ist ein Indiz, dass sich Herausforderungen wie Erleichterungen oft die Waage halten.“
Die Studie belegt, dass die Digitalisierung einiges Potenzial hat, die Inklusion auf dem Arbeitsmarkt anzutreiben. Professionelle Informationen über rechtliche und betriebsinterne Implikationen erleichtern dieses Unterfangen. Selbst bei Unternehmen mit Erfahrungen zum Thema herrscht hier ein beträchtliches Defizit.
In besonderer Weise sind KMU angesprochen, die in geringerem Maße Behinderte beschäftigen und zugleich einen Aufholbedarf bei digitalen Technologien haben. Das Wissen für inklusionsfreundliche Weichenstellungen stellen das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (www.kofa.de) und REHADAT (www.rehadat.de) kostenlos zur Verfügung. Ansprechpartner sind darüber hinaus Bildungswerke, Kammern und Initiativen zur Wirtschaftsförderung.
Sämtliche Erkenntnisse beziehen sich zwar auf den ersten Arbeitsmarkt, sind aber auch für die konzeptionelle Ausrichtung von Werkstätten für Menschen mit Behinderung bedeutsam, macht die Studie aufmerksam.
Die Autor*innen zitieren Stephan Hawking, wonach Intelligenz in der Fähigkeit bestehe, sich dem Wandel anzupassen. Der demografische Wandel und die Alterung der Belegschaft machten den Anteil von Menschen mit Behinderung größer. Die Folge: „Eine Behinderung zu haben, wird zur neuen Normalität.“ Zwar kann gegenwärtig nicht jede neue digitale Technologie barrierefrei gestaltet werden und viele Hilfsmittel sind auch ohne digitale Komponente eine wertvolle Hilfe im Arbeitsleben behinderter Menschen. Dennoch schaffe die Digitalisierung gute technische Voraussetzungen, jetzt komme es auf die inklusionsgerechte Umsetzung in den Unternehmen an.
Christoph Metzler / Anika Jansen / Andrea Kurtenacker, Betriebliche Inklusion von Menschen mit Behinderung in Zeiten der Digitalisierung, IW-Report 7/2020, Institut der Deutschen Wirtschaft (Hg.), Köln, 31 Seiten, Download
Arbeitswelt
Homeoffice zu Zeiten von Corona: Potenzial vorhanden
Bildung
Deutscher Schulpreis vor der Verleihung: Jeder gewinnt!
Inklusion
Digitalisierung – Jobmotor für Menschen mit Behinderung
Pflege
Digitalisierung ist gut, gesellschaftliche Aufwertung besser
Arbeitswelt
Raumpsychologie für das Büro der Zukunft
Gesundheit
Arztbesuche regional: Die Macht der Gewohnheit
Soziales
Wie sich die „Generation Selfie“ politisch informiert
Buchempfehlung
Nadav Eyal: Revolte. Der weltweite Aufstand gegen die Globalisierung
Susanne Bauer
Senior Referentin Unternehmenskommunikation
Konrad-Adenauer-Ufer 85
50668 Köln
T 0221 97356-237
F 0221 97356-477
E-Mail