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Stufen, Bordsteinkanten, fehlende Leitsysteme – in den Kommunen finden sich viele Hürden für ältere und behinderte Menschen. Und wer eine bezahlbare Wohnung mit breiten Türen und altersgerechtem Bad sucht, muss Geduld mitbringen. Nicht möglich, zu teuer, nicht nötig, so lautet der gängige Abwehrreflex gegen barrierefreies Planen und Bauen. Doch diese Sichtweise dürfte es künftig schwer haben: Die vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) herausgegebene Fachzeitschrift „Informationen zur Raumentwicklung“ (IzR) zeigt, dass Barrierefreiheit keine Frage der Kosten ist. Gute Planung und Detailkenntnis schaffen Lösungen, die allen zugute kommen.
Das knapp 100 Seiten starke Magazin enthält Berichte, Praxisbeispiele und Interviews zum Thema „Barrierefrei und inklusiv planen“. Architekten und Wissenschaftler aus Verkehrsplanung, Alternsforschung und Integrationsmanagement kommen zu Wort. Da geht es um Wohnformen für Menschen mit Assistenz- und Pflegebedarf, um Quartiersplanung, Grünanlagen und die Vereinfachung von gesetzlichen Vorgaben. Ein Gespräch mit Jürgen Dusel, Behindertenbeauftragter der Bundesregierung, greift die partizipationspolitische Perspektive auf. Alle Beiträge berühren folgende drei Thesen zu Planung, Kosten und Mehrwert.
Barrierefreies Bauen und Planen ist Voraussetzung und Ergebnis gleichberechtigter Teilhabe, Bedingung einer demokratischen Gesellschaft. „Nicht ohne uns über uns“, zitiert Behindertenbeauftragter Dusel das Motto der UN-Behindertenrechtskonvention. Das schließt alle Alltagsbereiche ein: „Gerade Menschen, die Tag für Tag mit einer Behinderung leben, können am besten beurteilen, welche Bedürfnisse sie haben.“ Planer tun gut daran, Behindertenverbände frühzeitig einzubeziehen. Als Bürger bestimmen sie mit, als Experten in eigener Sache helfen sie Fehlplanungen zu vermeiden und Kosten einzusparen.
Früher richtete sich barrierefreies Bauen an Randgruppen, eben an behinderte und ältere Menschen. Mittlerweile denken Planer um: „Es geht bei einer barrierefreien Gestaltung nicht um Einzellösungen für bestimmte Bevölkerungsgruppen. (…) Ziel ist die inklusive Planung und Einbeziehung gesellschaftlicher Veränderungen“, sagt Signe Stein. Unter dieser Maßgabe stellt sie Planungsaspekte für öffentliche Park- und Grünanlagen mit unterschiedlichen Nutzergruppen vor. Bereits einfache Maßnahmen wie Rampen, übersichtliche Wegeverläufe oder barrierefreie Spielplätze nützen sowohl Menschen mit Behinderung – knapp zehn Prozent der Gesamtbevölkerung – als auch Älteren, Kindern, Eltern mit Kinderwagen und Menschen, die zeitweilig mobilitätseingeschränkt sind. Darüber hinaus lockt Barrierefreiheit Kaufkraft an – was die Wirtschaftsförderer selbsterklärter barrierefreier Kommunen weit oben auf ihrer Prioritätenliste stehen haben.
Dass barrierefreies und inklusives Bauen zwei Seiten einer Medaille sein können, unterstreichen die Skizzen von Simone Bosch-Lewandowski und Rotraut Weeber. Die Autorinnen erläutern Konzeptionen gemeinschaftlicher Wohnformen in sozial gemischten Neubauquartieren in München, Berlin und Ulm. „Auch Menschen, die auf Unterstützung beim Wohnen angewiesen sind, soll ermöglicht werden, in einer normalen Wohnanlage und Nachbarschaft zu leben und möglichst auch im bisherigen Stadtteil wohnen zu bleiben“, so das erklärte Ziel.
Das große Potenzial barrierefreien Bauens in einer inklusiven Gesellschaft dürfte an Bedeutung weiter zunehmen. Unter Hinweis auf den demografischen Wandel fordert Jürgen Dusel: „Wir müssen endlich damit anfangen, Barrierefreiheit als einen Qualitätsstandard für modernes Bauen und auch als wirtschaftlichen Standortvorteil zu betrachten.“ Der „Leitfaden Barrierefreies Bauen“ (BMI 2016) ist eine nützliche Planungshilfe für dieses Anliegen.
Barrierefrei und inklusiv planen. Information zur Raumentwicklung (IzR), 5/2019.Hg.: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, Franz Steiner Verlag, 97 Seiten
Inhaltsverzeichnis der Ausgabe und Bestellmöglichkeit
(Print-Version oder eJournal ab19 Euro)
Pflege
„Gefährdete pflegen besonders Gefährdete“
Management
ASB Sachsen: „Gelingen schreibt Geschichte(n)“
Bildung
DigitalPakt: Gemeinnützige Initiative unterstützt Schulen
Inklusion
Barrierefrei und inklusiv planen: „Nicht ohne uns über uns“
Extremismus
Angriff aus dem Internet: Wie sich rechtsextreme Subkulturen radikalisieren
Zivilgesellschaft
Demokratie weltweit unter Druck
Arbeitswelt
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