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„Ich habe so Angst, nach wochenlanger Schulschließung die Gesellenprüfung nicht zu schaffen.“ – „Meine Eltern sind beide zu Hause und giften sich nur noch an. Mein Vater droht, uns alle rauszuschmeißen.“ Zukunftsängste, Einsamkeit, Gewalterfahrung im Elternhaus: Junge Menschen sind mit ihren Problemen in der Corona-Zeit oft auf sich alleine gestellt. Die Caritas hält in Kooperation mit der Beratungsplattform JugendNotmail dagegen: Hilfesuchende bis 26 Jahre erhalten bei der kostenlosen Onlineberatung #gemeinsamstatteinsam Unterstützung durch speziell geschulte Gleichaltrige im Ehrenamt.
„Wir möchten junge Menschen in einer schwierigen Lebenssituation erreichen“, erläutert Caritas-Projektkoordinator Jakob Henschel das Onlineangebot. Teenager und junge Erwachsene im Lockdown – das können Monate verschärfter Konflikte und Zweifel sein: ein Elternhaus, in dem die Nerven blank liegen, Unterrichtsausfall, Versetzungsangst. Und wer etwa auf den schulpsychologischen Dienst angewiesen ist, geht momentan oft leer aus. „Junge Menschen sind im Lockdown hauptsächlich zu Hause. Handelt es sich um ein ohnehin konfliktbeladenes Umfeld, potenzieren sich die Probleme“, ergänzt Henschel. Daran dürfte sich auch angesichts gelockerter Ausgangsbeschränkungen erst einmal nicht viel ändern.
#gemeinsamstatteinsam knüpft an das gemeinsame Angebot der Portale [U25] und JugendNotmail an. [U25] bündelt das Online-Präventionsangebot der Caritas für Suizidgefährdete, JugendNotmail ist ein erprobter Online-Anbieter für junge Ratsuchende mit verschiedenen Problemlagen. „Die Onlineberatung [U25] besteht seit 2002. Diese Erfahrung ist für unser neues Angebot von großem Vorteil“, sagt Henschel. Das Projekt wird durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert.
Im Mittelpunkt steht die ehrenamtliche Unterstützung junger Menschen durch Gleichaltrige – Schüler*innen, Studierende, Azubis und junge Berufstätige zwischen 18 und 35 Jahren. Tamara aus Gelsenkirchen ist eine dieser Berater*innen. Die 23-Jährige war bereits bei der Suizidberatung dabei und unterstützt jetzt auch das Angebot von #gemeinsamstatteinsam. „Ich nehme jede Zuschrift ernst, gehe auf die Schilderungen ein, frage nach und lenke den Blick der Betroffenen auf eigene Stärken“, beschreibt die Psychologiestudentin ihre Arbeit. Dahinter steht der Ansatz personenzentrierter Gesprächsführung: Ziel ist der Aufbau einer Beratungsbeziehung durch Nachfragen und Verstehenwollen, nicht das Übermitteln fertiger Lösungen.
Tamara kommen manche Einsichten aus ihrem Studium zugute, außerdem wurde sie von der Caritas vor Beginn ihrer Tätigkeit vier Monate lang geschult. Auf dem Stundenplan standen bzw. stehen für alle Peers Krankheitsbilder, spezielle Techniken der Mailberatung, Selbsterfahrung und Feedback-Gespräche. Während der praktischen Arbeit erfolgt jede Woche eine Supervision. Für schwierige Fälle stehen den ehrenamtlichen Helfer*innen bundesweit acht hauptamtliche Caritas-Fachkräfte zur Seite. Die Beratung ist auf zehn Mails pro Klient begrenzt, das Angebot versteht sich nicht als psychologische Fachberatung oder Therapie. Wenn nötig, verweisen die Helfer*innen auf professionelle Ansprechpartner und therapeutische Einrichtungen in der Nähe.
Im Allgemeinen spielt die E-Mail bei Social-Media-affinen Jugendlichen heutzutage kaum noch eine Rolle, ist aber bei der Onlineberatung von Vorteil. „Eine Mail zu schreiben, liegt für Betroffene näher, als sich an einen Lehrer, Schulsozialarbeiter oder Psychologen zu wenden“, berichtet Tamara. Anonymität und die Möglichkeit individueller Reflexion innerhalb verbindlicher Sieben-Tage Antwortfristen erleichtern eine zielführende Kommunikation. Weiterer Vorteil des Online-Formats: „Instant Messaging oder Chats sind mit Ehrenamtlichen organisatorisch nicht umsetzbar“, sagt Henschel.
Die neue Online-Plattform steht noch am Anfang, der künftige Bedarf auch abseits der coronabedingten Sondersituation kann vorerst nur geschätzt werden. Aus den Erfahrungen mit [U25] – dort sind 240 Peers an bundesweit zehn Standorten voll ausgelastet – dürfte das Setting bei #gemeinsamstatteinsam stimmen: „Die Ratsuchenden können sich anonym und auf Augenhöhe mit Gleichaltrigen austauschen. Außerdem ermöglicht das Onlineformat einen niedrigschwelligen Zugang und stillt ein durch die sozialen Medien offensichtlich nicht gedecktes Kommunikationsbedürfnis“, erläutert Henschel.
Ohne die ehrenamtlichen jungen Helfer*innen ginge gar nichts, aber auch sie bekommen etwa zurück, weiß Tamara: „Ich weiß, dass es manchmal Probleme gibt, über die man nicht mit jedem sprechen möchte oder auch nicht kann. Da finde ich es schön, für andere eine Vertrauensperson zu sein, die für sie da ist und der sie alles erzählen können.“
Weitere Informationen
zur Onlineberatung [U25] und #gemeinsamstatteinsam: www.u25.de
zu sämtlichen Angeboten der Caritas-Onlineberatung: www.caritas.de/onlineberatung
JugendNotmail im Spendenportal sozialspende.de: www.sozialspende.de/ehrenamt/id/2650
Sabine Andresen / Anna Lips / Renate Möller u. a., Erfahrungen und Perspektiven von jungen Menschen während der Corona-Maßnahmen. Erste Ergebnisse der bundesweiten Studie JuCo, Download
Häusliche Gewalt in der Corona-Krise. Wenn das Kind verborgen bleibt (Süddeutsche Zeitung, abgerufen 06.05.2020)
Gewalt in Familien. Grund zu großer Sorge (Tagesschau.de, abgerufen: 18.05.2020)
SOS Kinderdorf: Familien unter Druck. Corona-Situation verschärft die Belastung für Familien (abgerufen: 18.05.2020)
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