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Kinder sind ein teures Vergnügen – durch laufende Ausgaben und entgangenes Einkommen. So weit, so bekannt. Einer Expertise der Bertelsmann-Stiftung zufolge werden Mütter dabei gleich doppelt zur Kasse gebeten. Sie verdienen traditionell weniger als Männer und erwirtschaften im Vergleich zu kinderlosen Frauen bis zu 70 Prozent weniger Einkommen. Das sorgt für wachsende Ungleichheit unter Frauen. Die Coronakrise werde diese Tendenzen noch verstärken, sagen die Autorinnen voraus.
Kinder sind demnach die entscheidende Größe für das Arbeitseinkommen von Frauen. Die Untersuchung unterscheidet zunächst die Einkommensungleichheit zwischen den Geschlechtern, den sogenannten Gender Lifetime Earnings Gap: Während das durchschnittlichen Lebenserwerbseinkommen von Männern rund 1,5 Millionen Euro in West- und 1,1 Millionen in Ostdeutschland beträgt (in Preisen von 2015), liegt es für Frauen, die heute in der Mitte ihres dritten Lebensjahrzehnts stehen, bei 830.000 Euro bzw. 660.000 Euro – also bei nur etwas mehr als der Hälfte. Die Geschlechterlücke liegt bei 670.000 Euro (45 %) oder 440.000 Euro (40 %).
Zur Einkommenslücke zwischen den Geschlechtern tritt zunehmend die Einkommensungleichheit unter Frauen. Während der Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen insgesamt in den vergangenen Jahrzehnten kaum kleiner geworden ist, nähert er sich zwischen Männern und kinderlosen Frauen erkennbar an, arbeitet die Studie heraus: Diese verdienen demnach 13 Prozent weniger als Männer, Frauen mit Kindern hingegen 62 Prozent (Ostdeutschland: 3 bzw. 48 %). Kinder beeinflussen die Erwerbseinkommen der Frauen deutlich mehr als die der Männer. Die Bertelsmann-Expertise spricht von einer regelrechten „Mutterschaftsstrafe“, der finanziellen Lücke zwischen kinderlosen Frauen und Müttern (Motherhood Lifetime Penalty): Ein Kind führt bei Müttern zur Einbuße von rund 40 Prozent, bei drei oder mehr Kindern sogar bis zu 70 Prozent.
Die Gründe für diese gravierenden Einbußen der Mütter liegen in der Unterbrechung der Beschäftigung und in der häufigen Weiterarbeit in Teilzeit. Insgesamt sorgt der Anstieg des weiblichen Bildungsniveaus, der Erwerbstätigkeit und des Einkommens in den vergangenen Jahrzehnten für eine Ausweitung der Einkommenslücke zwischen Frauen mit und ohne Kindern. Erhellend ist hier der Vergleich von 1971 und 1982 geborenen Müttern: Bei den älteren Müttern lagen die Einbußen gegenüber gleichaltrigen Kinderlosen im Westen mit einem Kind bei 30 Prozent, bei den Jüngeren bei 43 Prozent (Ostdeutschland: 10 bzw. 37 %). „Dies bedeutet konkret: die ,Opportunitätskosten‘ des Mutterdaseins sind für jüngere Frauen im Vergleich mit älteren Kohorten deutlich gestiegen, weil kinderlose Frauen hinsichtlich der Lebenserwerbseinkommens deutlich zu den Männern aufschließen konnten.“
Der Trend zur doppelten Lücke im Erwerbseinkommen dürfte sich aufgrund der Coronakrise noch verstärken, mutmaßen die Autorinnen. Erste Erkenntnisse weisen darauf hin, dass Frauen vor allem im Teilzeit- und Niedriglohnsektor stärker als Männer von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Mütter stellen darüber hinaus häufig ihre Erwerbsarbeit zugunsten der Fürsorgearbeit im Zuge von Kita- und Schulschließungen zurück. Diese Ungerechtigkeit erweist sich auch in volkswirtschaftlicher Hinsicht als ineffizient, da sie mit einer unzureichenden Ausschöpfung des Arbeitskräftepotenzials einhergeht.
Die Autorinnen fordern eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, den zügigen Ausbau von hochwertiger Kinderbetreuung und gutem Ganztag für Grundschulkinder. Weiterhin halten sie eine gleichmäßige Aufteilung der Fürsorge- und Erwerbsarbeit zwischen den Geschlechtern durch den Abbau von Fehlanreizen im Steuer-, Abgaben- und Transfersystem für angeraten. Eine Reform des Ehegatten-Splittings schaffe Anreize für Frauen, nicht lediglich Zuverdienerinnen zu sein, sondern auch mit Kindern wieder voll ins Berufsleben einzusteigen.
Hier liegt denn auch der Schlüssel zur Problemlösung: Kinder kosten Geld, Elternschaft bedingt vermindertes Erwerbseinkommen – das hängt untrennbar mit der Entscheidung für Nachwuchs zusammen. Der Vergleich von Müttern und kinderlosen Frauen erscheint daher wenig zielführend. Entscheidend ist die künftig gerechtere Aufteilung von Familien- und Erwerbsarbeit zwischen beiden Elternteilen.
Manuela Barišić / Valentina Sara Consiglio, Frauen auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Was es sie kostet, Mutter zu sein, Kurzexpertise, Bertelsmann Stiftung 2020, 12 Seiten
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Umfassende Studie zum Thema:
Timm Bönke / Rick Glaubitz / Konstantin Göbler u. a.,Wer gewinnt?
Wer verliert? Die Entwicklung und Prognose von Lebenserwerbseinkommen in Deutschland, Bertelsmann Stiftung 2020, 51 Seiten
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