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Natur genießen, Körper aktivieren, den inneren Akku aufladen – beim Wandern lebt der ganze Mensch auf. Der anhaltende Boom des sanften Freizeitsports bestätigt diese Einsicht, Wanderpioniere von Johann Gottfried Seume (1763-1810) bis Hape Kerkeling liefern dazu geistiges Rüstzeug. Doch da geht noch was, besagt eine Studie der SRH Hochschule für Gesundheit im Auftrag der BKK Pfalz: Gesundheitswandern verbinde das Naturerlebnis mit ausgewählten Übungen für Kraft, Beweglichkeit und Gleichgewicht zu einem gezielten Aufbauprogramm für gestresste Zivilisationsbürger. Die Trendinfo-Redaktion möchte von Studienleiter Professor Dr. Tobias Erhardt wissen: Was ist dran an diesem Konzept, eignet es sich auch als Therapie?
Tobias Erhardt: Es ist eine Verbindung von gemütlichen und relativ kurzen Wanderungen – meist drei bis fünf Kilometer – mit aktiven Pausen. In den Pausen werden Übungen zur Entspannung oder Verbesserung von Kraft, Beweglichkeit und Koordination ausgeführt. Die Ausdauer selbst wird über die Wanderungen verbessert. Ausgeführt werden diese Wanderungen an naturnahen Wanderwegen, im Wald, auf Weinfeldern oder in den Bergen. Idealerweise kommt über das gemeinschaftliche Wandern der soziale Aspekt zur Entwicklung und Aufrechterhaltung von Gesundheit noch hinzu.
Gesundheitswandern wirkt! Es steigert das körperliche und psychische Wohlempfinden, reguliert den Blutdruck, baut die Muskulatur auf und reduziert das Körperfett. Darüber hinaus motiviert es die Teilnehmer zu einem aktiveren Lebensstil. Frühere Studien zum Wandern zeigen positive Effekte hinsichtlich des Immunsystems, einer Stressreduktion sowie einer Steigerung der Selbstkompetenz. In der Natur spielen dabei auch Gerüche, Geräusche und der visuelle Eindruck eine Rolle.
Besonders hilfreich ist das Gesundheitswandern bei klassischen orthopädischen Krankheitsbildern wie Arthrose oder Rückenschmerzen, aber auch im internistischen Bereich bei Diabetes, Hypertonie oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Darüber hinaus sind die positiven Wirkungen auf die Psyche bedeutsam. Gesundheitswandern soll ein niederschwelliges, barrierefreies Angebot für alle Interessierten sein.
Neben der bereits erwähnten Wirksamkeit hinsichtlich Blutdruck, Muskulatur und Körperfett, zeigt die Studie auch, dass sich das psychische und soziale Wohlbefinden verbessert. Dies kam insbesondere bei den Teilnehmern zum Tragen, bei denen die Ausgangswerte hinsichtlich Wohlempfinden unterdurchschnittlich oder stark unterdurchschnittlich waren.
Gute Frage, immerhin unterstützen einzelne Krankenkassen ihre Mitglieder mit Zuschüssen für zertifizierte Gesundheits-Wanderkurse. Überhaupt wächst die Bedeutung des Wanderns für das präventive Gesundheitsverständnis. Das Konzept des Gesundheitswanderns wird bei der Zentralen Prüfstelle für Prävention der gesetzlichen Krankenkassen zertifiziert, Gesundheitswanderführer mit entsprechender Grundqualifikation wie Physiotherapeut oder Sportwissenschaftler können sich zertifizieren lassen und sind neuerdings sogar markenrechtlich geschützt. Darüber hinaus bietet der Deutsche Wanderverband Fortbildungen zum zertifizierten Wanderführer an, regionale Anbieter führen das Gesundheitswandern in ihrem Portfolio. Auch in der Forschung hierzulande tut sich einiges.
Nach den positiven Studienergebnissen möchten wir das Gesundheitswandern ausweiten. Dabei wäre ein spezifischer Einsatz in Teilbereichen der Medizin und Therapie wie Innere, Psychiatrie aber auch Onkologie denkbar. Auch die betriebliche Gesundheitsförderung, der Bereich Führungskräftetraining und Coaching eignet sich hervorragend für eine Integration dieses alltagstauglichen, leicht umsetzbaren Angebotes. Da mein Kollege Björn Eichmann und ich auch in diesen Bereichen tätig sind, verbinden wir hier für Unternehmen und Interessenten die Praxis mit der Wissenschaft.
Ja! Gegenwärtig hat eine Art Rückbesinnung auf das Wesentliche stattgefunden. Natur, Bewegung aber auch die Wertigkeit sozialer Kontakte mit Menschen sind durch Corona wieder mehr in den Mittelpunkt gerückt. Wenn man die Gesundheit des Menschen als bio-psycho-soziales Phänomen versteht, ist das Gesundheitswandern eine Antwort auf Covid 19.
Die Wanderfitstudie der SRH Hochschule für Gesundheit, Campus Karlsruhe, im Auftrag der BKK Pfalz wurde erstellt von Prof. Dr. Tobias Erhardt, Professor für Therapiewissenschaften und Prof. Dr. Björn Eichmann, Professor für Sportwissenschaften.
Björn Eichmann / Tobias Erhardt, Gesundheitswandern – Auswirkungen auf das physische und psychische Wohlbefinden, Tectum Verlag, 2020. 94 Seiten
(ISBN (print) 978-3-8288-4452-0; ISBN (online) 978-3-8288-7471-8)
BKK Pfalzwww.bkkpfalz.de
Wanderwissen, Infos rund um die Studie, persönliche Tipps:
www.wanderwissen.de
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