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Eine raffinierte Betrugsvariante dringt vermehrt aus der Diskretion abgeschirmter Chefetagen ans Licht der Öffentlichkeit: Wirtschaftsstraftaten mit gigantischem Schaden wie der Wirecard-Skandal, Cum-Ex-Tricksereien und betrügerische Masken-Deals. Aber auch weniger schlagzeilenträchtige Wirtschaftsdelikte sind auf dem Vormarsch. Typische Kennzeichen sind hohe kriminelle Energie, verschachtelte Firmen- und Finanzgeflechte sowie einflussreiche Netzwerke. Wie kriminell geht es in der deutschen Wirtschaft zu, wie lässt sich dem vorbeugen – diese Fragen stehen im Mittelpunkt einer aktuellen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW).
Rund ein Drittel (34 %) aller Unternehmen hierzulande waren demnach im vergangenen Jahr Opfer wirtschaftskrimineller Delikte wie Betrug, Korruption, verbotene Preisabsprachen, Steuerhinterziehung oder Schwarzarbeit: „Die höchste Quote seit 2014“, heißt es in der Studie, die sich auf eine repräsentative Umfrage bei 1.001 Unternehmen im Jahr 2023 stützt und durch die Polizeikriminalstatistik des Bundeskriminalamts (BKA) von 2022 bestätigt wird. Die Zahl der Wirtschaftsdelikte stieg demnach im dritten Jahr in Folge auf rund 73.000.
Die Kriminellen erschaffen immer neue Trends. So nehmen Markenrechtsverstöße und Produktpiraterie mit dem Zuwachs der Importe aus China zu. Auch die Ausbreitung des Homeoffice als Rückzugsraum begünstigt spezielle Betrugsmaschen, warnt der Kreditversicherer Allianz Trade. Demnach stieg das „Social Engineering“ im Jahr 2022 um 15 Prozent an – das betrügerische Ausnutzen von Vertrauen der Zielperson, um Geldüberweisungen zu veranlassen und Zahlungsströme umzuleiten. Tückisch auch der „Fake-President“-Trick: Dabei werden Zahlungen im vorgeblichen Auftrag des Chefs veranlasst, die tatsächlich auf Konten von Betrügern landen.
Der Anteil der Wirtschaftsdelikte betrug im vergangenen Jahr 1,3 Prozent aller polizeilich erfassten Straftaten – nach 1,0 Prozent im Jahr 2021. Der Schaden lag bei gut zwei Milliarden Euro und belief sich auf mehr als ein Drittel des Gesamtschadens aller Straftaten, besagt die IW-Studie. „Anders ausgedrückt: Wirtschaftskriminelle Handlungen werden im Vergleich zu anderen Delikten und Vergehen in Deutschland zwar relativ selten begangen, ihr ökonomischer Schaden ist jedoch sehr groß.“ Dabei sind die Urheber der meisten und größten Schäden sogenannte Innentäter, also Mitarbeitende der betroffenen Unternehmen selbst.
Die drei am häufigsten von Kriminalität betroffenen Bereiche in deutschen Unternehmen sind die IT (36 %), der Vertrieb mit eigenen Mitarbeitern (32 %) sowie das Finanz- und Rechnungswesen (27 %), arbeitet die IW-Analyse heraus. 92 Prozent aller aufgedeckten Kriminalfälle wurden 2022 aufgeklärt. Die hohe Quote rührt daher, dass mit der Anzeige meist auch gleich ein oder mehrere Beschuldigte genannt werden können. Allerdings ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. „Die Statistik zeigt nur die Spitze des Eisbergs“, gibt IW-Verhaltensökonom Dominik Enste zu bedenken. „Das gesamte Dunkelfeld, also die Fälle, die nicht öffentlich werden, kommt im Jahr 2023 für die Delikte Korruption, Kartellabsprachen und Schwarzarbeit dagegen auf Umsatzeinbußen von hochgerechnet 450 Milliarden Euro.“
Männlich, Ende 30 bis Mitte 40, hohes Bildungsniveau, mehrjährige Berufserfahrung in einer Führungsposition, das sind die typischen soziodemografischen Merkmale eines Wirtschaftskriminellen, heißt es im Forschungsbericht. Menschen dieses Personenkreises sind oft extrovertiert, tendenziell neurotisch, sozial unverträglich und wenig gewissenhaft. Auch Narzissmus ist ihnen häufig zu eigen. Sollte man Kandidaten, die diese Eigenschaften verstärkt mitbringen, nicht schon im Bewerbungsverfahren aussieben? Nein, meint das Autorenduo und verweist auf ein Dilemma. „Die Beschreibung des perfekten Täters ist zugleich auch die Beschreibung einer typischen Führungskraft, die man gerne haben möchte.“ Mit zwiespältigem Resultat: „Sehr viele Narzissten befinden sich in Führungspositionen, weil sie entsprechende Eigenschaften haben, die zum beruflichen Erfolg beitragen.“
Um Delikte wie Cyberattacken oder Betrug einzudämmen, sind auch die Unternehmen selbst gefordert, unterstreicht die IW-Studie: Das Autorenduo setzt klar auf ein fortlaufend angepasstes Bündel verhaltensbezogener Maßnahmen und technischer Prävention. Beispiele für sinnvolle Präventionsmaßnahmen sind:
Unternehmen schaden sich selbst, die Abwehrmaßnahmen unterlassen oder interne Delikte vertuschen. Vielmehr muss Kriminalitätsprävention ein kontinuierlicher Prozess sein, da der technische Fortschritt ständig neue Sicherheitslücken aufreißt. Die Frage nach härteren Strafen verneint die Studie: Die geltenden Gesetze reichten völlig aus, um überführte Täter schlimmstenfalls ins Gefängnis zu bringen.
Der Schutz der Unternehmen sei aber auch Aufgabe der Politik, erklärte etwa die Opposition im NRW-Landtag in ihrer Stellungnahme zur IW-Studie, die hier beispielhaft erwähnt sei. Viele Firmen hätten ein „besorgniserregend niedriges Schutzniveau“, weshalb die Landesregierung die Schulung kleiner und mittlerer Unternehmen intensivieren müsse, wird die FDP-Fraktion zitiert. Nicht nur einzelne Unternehmen, sondern der ganze Wirtschaftsstandort werde geschädigt. Die Ermittlungen seien „gekennzeichnet von komplexen Sachverhalten – nicht selten mit internationalen Bezügen“, äußerte sich das Innenministerium von Herbert Reul. „Besonders herausfordernd seien die zunehmend verschwimmenden Grenzen zwischen Wirtschafts- und Cyberkriminalität, und die Täter würden technisch immer versierter.“
Dominik Enste / Jennifer Potthoff: Wirtschaftskriminalität. Entwicklungen, Täterprofile und Präventivmaßnahmen, IW-Report 17/2024, Köln, 34 Seiten, Download
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