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Obgleich dem deutschen Gesundheitswesen – bezogen auf die Einwohnerzahl – im Vergleich zu anderen Ländern viele Beschäftigte zur Verfügung stehen, gibt es Versorgungsengpässe. Den Grund dafür sieht der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen und in der Pflege (SVR) in strukturellen Defiziten. In einer umfassenden Studie, die im April 2024 veröffentlicht wurde, haben sich die Mitglieder des SVR intensiv mit den zahlenmäßig größten Berufsgruppen auseinandergesetzt und ein Maßnahmenpaket entwickelt.
Abhilfe versprechen sich die Expert*innen unter anderem von einer strategischen Gesundheitspersonalplanung (GPP) in Form eines nationalen Monitorings der Personalressourcen. Dies versetze Arbeitgeber in die Lage, den künftigen Fachkräftebedarf sowie eine entsprechende Nachfrage besser einzuschätzen und geeignete Maßnahmen, etwa zur Qualifizierung, zu ergreifen. Angesichts sich verändernder Versorgungsstrukturen und Handlungskompetenzen sei eine berufsgruppenübergreifende Modellierung von Vorteil. Auf diese Weise sei es möglich, „Substitutionspotenziale“ zu erkennen und zu nutzen.
Die Sachverständigen sprechen sich außerdem dafür aus, pflegerische Aufgaben- und Verantwortungsprofile zu modernisieren. Entsprechend qualifizierten Pflegefachpersonen solle es ermöglicht werden, heilkundliche Aufgaben auf Grundlage eines allgemeinen Heilberufegesetzes eigenverantwortlich und selbstständig auszuüben.
Zur Gewinnung und Bindung von Fachpersonal ist es nach Meinung des Rats gleichfalls empfehlenswert, die Qualität der MFA-Ausbildung zu stärken. Die Entwicklung eines breit angelegten Fortbildungsportfolios wird begrüßt.
Fehlverteilungen im Bereich der fachärztlichen Versorgung könnten dem Gutachten zufolge etwa durch eine stärkere Steuerung bzw. über eine „Quotierung der Weiterbildungsplätze“ verhindert werden. Allerdings lehnte der 128. Deutsche Ärztetag 2024 dies ausdrücklich ab.
Um einen Ärztemangel in unterversorgten Regionen abzuwenden, solle unter anderem die Präsenzpflicht von Vertragsärzt*innen durch die Nutzung von Telesprechstunden und Telekonsilien flexibilisiert werden.
Da die Teilzeitbeschäftigung im Gesundheitswesen besonders verbreitet ist, rät die Studie zur Entwicklung attraktiver Teilzeitmodelle, etwa indem zwei oder mehrere Personen gemeinsam eine Führungsrolle übernehmen.
Um neue Zielgruppen für den Gesundheitsberuf zu interessieren, schlägt der Rat vor, das Freiwillige Soziale Jahr attraktiver zu gestalten, beispielsweise durch eine bessere Vergütung.
Zudem raten die Sachverständigen dazu, digitale Kompetenzen in der Aus- und Weiterbildung mittels geeigneter Infrastrukturen intensiver zu unterstützen.
Die Sachverständigen sind sicher, dass sich der Fachkräftebedarf durch den Ausbau von Primärprävention und Gesundheitsförderung effektiv senken lässt. Ihrer Ansicht nach gilt das ebenso für die Sekundärprävention bzw. für Maßnahmen zur Früherkennung von Erkrankungen. Zugleich empfehlen sie, das Kosten-Nutzen-Verhältnis sowie die Evidenz bei allen Interventionen zu beachten.
Aktivitäten zur Prävention von Pflegebedürftigkeit sowie eine bedarfsgerechte Versorgung mit rehabilitativen Leistungen für geriatrische Patient*innen wertet der Rat ebenfalls als sinnvoll.
Eine intensivere Unterstützung pflegender Angehöriger befürworten die Expert*innen ausdrücklich. Pflegeberatungsangebote sollten „durch die verantwortlichen Stellen ausgebaut, verzahnt und in ihrem Angebot stärker systematisiert und vereinheitlicht werden.“
Nach Überzeugung des Rates hängt die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen nicht zuletzt von der Gesundheitskompetenz ab. Diese sei jedoch in allen Teilen der Bevölkerung zu gering ausgeprägt, so die Kritik. Aus diesem Grund gelte es, Aktivitäten zur Stärkung der Gesundheitskompetenz einschließlich der Interventionsforschung für alle Altersgruppen zu fördern. Beispielsweise seien Kitas und Schulen geeignete Umgebungen, um Maßnahmen zur Gesundheitsbildung umzusetzen.
Als strukturelle Maßnahmen empfehlen die Expert*innen insbesondere eine Reduktion des Fachkräftebedarfs im stationären Sektor. Um Belegungstage zu verringern, halten sie die Einrichtung von Integrierten Leitstellen (ILS) und Integrierten Notfallzentren (INZ) für einen besonders vielversprechenden Weg. Rechne man die Einsätze des Rettungsdienstes zukünftig „als eigenständige, präklinische notfallmedizinische Leistung“ ab, könne man die Krankenhäuser zusätzlich entlasten.
Nach Überzeugung des Rates ist die Einführung eines Vergütungssystems für sektorengleiche Leistungen („Hybrid-DRGs“, § 115f SGB V) zielführend. Mittels einer „Ambulantisierung sektorengleich vergüteter Leistungen“ könne es gelingen, Leistungen mit weniger Personal zu erbringen.
Darüber hinaus müsse die Krankenhausvergütung differenzierter „an die Versorgungsrealität, die daraus resultierenden Kostenunterschiede sowie den Versorgungsbedarf angepasst werden“. In diesem Zuge empfehle sich zum einen die Einführung von Vorhaltepauschalen, die sich je nach Leistungsbereich unterscheiden, so die Sachverständigen. Zum anderen gelte es, die Vergütung auf Basis der DRG (Diagnosebezogene Fallgruppen) zu reformieren, indem man Regionen und Versorgungsstufen als Kriterien berücksichtige und zusätzlich die Anzahl der DRG reduziere.
Um die Langzeitpflege strukturell zu optimieren, empfiehlt der Rat, ambulante pflegerische Versorgungsangebote weiterzuentwickeln. Für erfolgversprechend halten die Expert*innen eine flächendeckende, kleinräumige Bedarfserfassung, die gleichzeitig die daraus resultierenden Anforderungen an die Versorgung berücksichtigt. Darüber hinaus gelte es, nicht nur die etablierten Angebote der Langzeitpflege einzubeziehen, sondern auch alternative Wohn- und Pflegeformen.
Einen wichtigen Hebel für strukturelle Verbesserungen sieht der Rat darin, Krankenhauseinweisungen von Pflegeheimbewohner*innen zu verhindern. Als Beispiel wird „die verpflichtende Vorhaltung einer basalen Diagnostik- und Behandlungsausstattung“ in der stationären Pflege genannt.
Hinzu kommt der vermehrte Einsatz von Pflegefachpersonen mit erweiterten Kompetenzen sowie eine intensivere Kooperation zwischen Ärzteschaft und Pflegeeinrichtungen. Der Rat verweist in diesem Zuge auf Modellprojekte, die solche Formen der Zusammenarbeit erproben, etwa auf Grundlage von interdisziplinären Fallkonferenzen, einer erweiterten Rufbereitschaft sowie gemeinsamen Dokumentationen.
Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen und in der Pflege: Fachkräfte im Gesundheitswesen. Nachhaltiger Einsatz einer knappen Ressource. Gutachten 2024. Download
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