Suche
Newsletter für das Sozialmanagement
Aufgrund demografischer und sozioökonomischer Herausforderungen ist der Handlungsdruck auf die kommunale Ebene enorm gewachsen. Hinzu kommt der gestiegene Anteil geflüchteter Menschen. Auf der Suche nach konstruktiven Lösungen hat ein großer Teil der Landkreise und kreisfreien Städte seit 2015 damit begonnen, ihre bisherige Integrationsarbeit weiterzuentwickeln. Das übergeordnete Ziel besteht darin, allen Einwohner*innen eine verbesserte Teilhabe zu ermöglichen. Ein Forschungsprojekt des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung hat die Konzepte und deren Wirkungen untersucht und die Ergebnisse in einer Studie veröffentlicht.
„Teilhabeorientierte Integrationspolitik soll die Chancen aller Menschen vor Ort stärken und Hürden in allen wichtigen Lebensbereichen wie Arbeit, Bildung, Gesundheit oder Wohnen abbauen“, sagt Frederick Sixtus, Mitautor der Studie.
Das Projekt startete 2020 und ging in der ersten Phase vor allem der Frage nach, in welchen Kreisen und Städten sich teilhabeorientierte Integrationskonzepte finden lassen und was sie beinhalten. Es zeigte sich, dass derartige Ansätze bereits weit verbreitet sind, am häufigsten in urbanen Regionen. Ihr Schwerpunkt liegt meist auf den Themen Bildung, Arbeit und Sprache. Auf Kritik seitens der Forschenden stieß die Erkenntnis, dass viele der analysierten Konzepte primär auf zugewanderte Personen und seltener auf Alteingesessene zielen (Siehe Trendinfo 10/2021).
In der zweiten Phase schauten sich die Forschenden an, wie die praktische Umsetzung vor Ort erfolgt. Dafür sprachen sie an sechs Standorten mit Verantwortlichen in der Verwaltung, der Integrationsarbeit sowie weiteren Akteur*innen. Ausgewählt wurden das Altenburger Land, die kreisfreie Stadt Dessau-Roßlau, der Kreis Lippe, die kreisfreie Stadt Neumünster, der Rhein-Neckar-Kreis sowie der Wetteraukreis.
Wie die Clusteranalyse verdeutlichte, sind die Teilhabechancen regional sehr unterschiedlich. Das Risiko einer Abwärtsspirale durch die Abwanderung junger Menschen droht der Studie zufolge sowohl in einigen ländlichen Gegenden Ostdeutschlands, aber auch in Teilen von Rheinland-Pfalz und dem Saarland. „Wie sich die demografische Entwicklung fortsetzt, hängt in erheblichem Maße vom Faktor Zuwanderung ab“, stellen die Autor*innen fest. Daher täten Kreise und Städte gut daran, sich auf eine vielfältigere Gesellschaft einzustellen.
Kommunale Integrationsarbeit ist jedoch nicht zum Nulltarif zu haben, konstatiert die Studie. Zwar stellen Bund und Länder zu diesem Zweck Zuwendungen bereit, doch ein Teil der Ausgaben muss über kommunale Eigenmittel aus der Gewerbesteuer oder der Kreisumlage gestemmt werden. Da es sich bei der Integrationsarbeit um eine freiwillige kommunale Aufgabe handelt, geraten anspruchsvolle Ziele wie eine verbesserte Teilhabe angesichts knapper Kassen nicht selten ins Hintertreffen, mahnen die Forschenden. In diesem Zusammenhang verweist die Studie auf den KfW-Kommunalpanel, wonach Fördermittel Ende 2022 rund ein Fünftel der gesamten kommunalen Investitionssumme ausmachten. Allerdings, so der Einwand, seien die Förderdauer oftmals kurz und die Antragsverfahren aufwendig.
Zudem seien Förderprogramme in der Regel auf eng definierte Personengruppen zugeschnitten und daher mit einer teilhabeorientierten Zielsetzung nur schwer vereinbar. Es leuchtet den Autor*innen nicht ein, warum sich Angebote in Handlungsfeldern wie Wohnen oder Arbeitsmarktintegration ausschließlich an Migrant*innen wenden sollten. „Ein angespannter Wohnungsmarkt betrifft verschiedene Bevölkerungsgruppen unterschiedlich stark, aber er betrifft eben breite Teile der Bevölkerung und nicht nur kleine Gruppen.“
Angesichts eingeschränkter Finanzmittel ist es kein Wunder, dass freiwilliges Engagement in der Integrationsarbeit unverzichtbar ist. Auf diese Weise werde zwar eine aktive Mitgestaltung des Umfelds ermöglicht. Gleichzeitig halten es die Autor*innen für problematisch, wenn Integration allein auf ehrenamtlichen Schultern ruht. Kontinuität und Verlässlichkeit könne so nicht garantiert werden.
Mehr Handlungsspielräume sieht die Studie beim Bund und den Ländern und verweist beispielsweise auf gesetzliche Initiativen in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Dort müssen die Kommunen alle fünf Jahre berichten, welche Integrationsmaßnahmen sie ergreifen und wie sie ihre Landesintegrationsgesetze realisieren. „Entscheidend ist, wie Bund und Länder die Gesetzgebung ausgestalten und ihre nachhaltige Umsetzung sicherstellen.“
Nach Ansicht der Forschenden nimmt das Land NRW hierbei eine Sonderstellung ein. Nach Einführung des Teilhabe- und Integrationsgesetzes hätten dort alle Landkreise und kreisfreien Städte neue Konzepte und vergleichbare Dokumente erarbeitet. Wie sich im Gespräch mit Verantwortlichen zeigte, fungieren Integrationskonzepte vor allem als Arbeitsmittel, indem sie Orientierung bieten oder als Diskussionsgrundlage dienen.
Die teilhabeorientierte Integrationsarbeit kann dazu beitragen, Teilhabehürden abzubauen und die Diversität der Bevölkerung anzuerkennen, lautet das Resümee.
Carrasco Heiermann, Adrián/ Sixtus, Frederick/ Hinz, Catherina/ Nice, Thomas/ Engler, Anna: Alle sollen teilhaben. Wie Kreise und kreisfreie Städte Integration neu denken, Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung (Hrsg.), September 2023. Download
Gesellschaft
Neue Ansätze zur Integration
Demografie
Erwerbsorientierung der Generation Z
Arbeitswelt
Einsamkeit in der Arbeitswelt: Beschäftigten helfen, dem Betrieb nützen
Buchempfehlung
Der Geist aus der Maschine: Eine superschnelle Menschheitsgeschichte des digitalen Universums
Susanne Bauer
Senior Referentin Unternehmenskommunikation
Konrad-Adenauer-Ufer 85
50668 Köln
T 0221 97356-237
F 0221 97356-477
E-Mail