Albert-Schweitzer-Familienwerk

Das Albert-Schweitzer-Familienwerk betreibt in Mecklenburg-Vorpommern diverse stationäre Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe.

SozialBank
Kurz und komplett
Über den Verein

Das Albert-Schweitzer-Familienwerk Mecklenburg-Vorpommern ist seit 1995 anerkannter Träger der Jugendhilfe. Es gibt jährlich ca. 35 Kindern und Jugendlichen in besonderen, oft schwierigen Lebenslagen ein Zuhause. Das Familienwerk betreibt derzeit sieben stationäre Einrichtungen, darunter drei Kinderdorfhäuser, zwei Wohngruppen, zwei Einrichtungen für das Betreute Jugendwohnen und Erziehungsstellen.

Gründungsjahr

1995

Anzahl Mitarbeitende

38 hauptamtliche und 36 ehrenamtliche Mitarbeitende

Wir leben Gemeinwohl: Ein zweites Zuhause für Kinder und Jugendliche

Mit dem Albert-Schweitzer-Familienwerk Mecklenburg-Vorpommern e. V. erreichte ein anerkannter Träger der Jugendhilfe 2023 den zweiten Platz des Gewinnspiels „Wir leben Gemeinwohl“ der digitalen Vermögensverwaltung „GemeinwohlInvest“ der SozialBank.

Das 1995 gegründete Albert-Schweitzer-Familienwerk (ASF) mit Sitz im Landkreis Vorpommern-Greifswald betreibt vier Kinderdorfhäuser in Wolgast und Rakow. Sie tragen die Namen „Heimathafen“, „Nordlicht“, „Stille Post“ und „Leuchtfeuer“. 2019 hat die SozialBank den Kauf eines der Kinderdorfhäuser in Wolgast (OT Mahlzow) finanziert. Zum Angebot des Familienwerks gehören außerdem eine traumapädagogische Wohngruppe für Kinder ab sechs Jahren in Wolgast, zwei Einrichtungen für das Betreute Jugendwohnen in Wolgast und Rakow sowie eine familienanaloge Erziehungsstelle (professionelle Pflegefamilien) mit zwei Plätzen in Lühmannsdorf. Das Preisgeld in Höhe von 1.500 Euro wird dazu verwendet, das Zimmer eines 13-jährigen Bewohners zu renovieren und neu einzurichten.

Großer Hilfebedarf für Kinder in Not

Zurzeit werden 32 Kinder und Jugendliche gemäß Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) durch das Familienwerk betreut. „Der häufigste Anlass ist Kindeswohlgefährdung“, sagt Anika Hauschild, Bereichsleiterin Wirtschaft und Finanzen. Sie hat sowohl Gesundheitswissenschaften als  auch Sozialmanagement studiert und ist seit 2012 beim ASF tätig. „Leider erleben immer mehr Kinder Gewalt, Missbrauch oder Vernachlässigung. Nicht wenige sind entwicklungsverzögert oder sehr auffällig in ihrem Verhalten.“

Neben einer ausreichenden Gesundheitsfürsorge fehlt ihnen meist ein fester Tagesrhythmus, zu dem auch eine vollwertige, warme Mahlzeit gehört. Beim Albert-Schweitzer-Familienwerk Mecklenburg-Vorpommern e. V. sorgen aktuell 38 Mitarbeitende dafür, dass der individuelle Entwicklungsbedarf der jungen Menschen im Mittelpunkt steht. „Es ist unser Anliegen, die persönlichen Stärken und Ressourcen angemessen zu fördern“, betont Anika Hauschild. Gleichzeitig sei es notwendig, Schwächen zu akzeptieren und mit Fehlern konstruktiv umzugehen.

Kinderdorfhäuser und Erziehungsstellen – ein zweites Zuhause

Das Ziel der Kinderdorfhäuser besteht darin, sozial benachteiligten Kindern einen möglichst normalen Alltag in einer häuslichen Gemeinschaft zu ermöglichen. Einer der Kinderdorfeltern benötigt eine pädagogische Ausbildung und erhält Unterstützung durch weitere Fachkräfte, um Überforderungen zu vermeiden. Durch die enge Bindung und Begleitung wächst das Selbstwertgefühl der Kinder. Auf dieser Grundlage erlernen sie eigenverantwortliches Handeln ebenso wie die Fähigkeit zur Empathie und Rücksichtnahme.

Bis zu sieben Kinder oder Jugendliche kann das Jugendamt pro Kinderdorfhaus zuweisen. Geschwister werden nicht getrennt, sondern wachsen zusammen auf. Die Herkunftsfamilie so oft wie möglich einzubeziehen ist ein wesentlicher Bestandteil des pädagogischen Konzepts. „Momentan hat etwa die Hälfte der Kinder bei uns regelmäßig Kontakt zu ihren Eltern“, erzählt Anika Hauschild. „Manchmal gibt es auch liebevolle Großeltern, die sich für sie einsetzen.“

Die Idee der Kinderdörfer geht auf den Schweizer Philosophen und Publizisten Dr. Robert Corti zurück. Angesichts der kriegsbedingten Zerstörungen in Europa sprach er sich im Jahr 1944 dafür aus, ein „Dorf für leidende Kinder aus allen Nationen“ ins Leben zu rufen. Das erste deutsche Albert-Schweitzer-Kinderdorf entstand 1960 im baden-württembergischen Waldenburg, was dem großen Engagement von Margarete Gutöhrlein zu verdanken ist. Sie war es, die Albert Schweitzer, den Humanisten, Tropenarzt und Friedensnobelpreisträger, zuvor darum gebeten hatte, dem geplanten Kinderdorf seinen Namen geben zu dürfen.

Das zusätzliche Angebot der Erziehungsstellen (§ 27 und § 34 SGB VIII) richtet sich an Kinder mit psychischen und sozialen Beeinträchtigungen, die ein überschaubares Umfeld und eine kontinuierliche Bezugsperson brauchen. Bis zu zwei Kinder und eine pädagogisch qualifizierte Erziehungsstellenleitung sowie deren Lebenspartner*in bilden eine Lebensgemeinschaft. Im Krankheitsfall oder während eines Urlaubs organisiert das Familienwerk eine Vertretung.

Ohne Spenden geht es nicht

Allerdings kommt der öffentliche Träger der Jugendhilfe nur für einen Teil der Kosten auf. „Aus diesem Grund sind wir auf Fördermittel oder Spenden angewiesen“, erklärt Anika Hauschild. Die Kinder und Jugendlichen benötigen positive Impulse, etwa indem sie Hobbys pflegen, Gleichaltrige außerhalb des Familienwerks treffen oder sich um Haustiere kümmern. All diese Aktivitäten können helfen, die belastenden und manchmal traumatisierenden Erlebnisse besser zu verarbeiten. Für deren Finanzierung müsse man in einem Flächenland wie Mecklenburg-Vorpommern allerdings viel Einsatz bringen, sagt Anika Hauschild. „Zwar werden wir durch unseren Bundesverband und einige Stiftungen zuverlässig unterstützt. Doch seit dem Ende der Pandemie ist es schwieriger geworden, weitere Finanzmittel zu akquirieren.“ Sie führt diesen Rückgang der Spendenfreude primär auf gleichzeitig auftretende Krisen zurück, die sich bei vielen Bürger*innen auch finanziell bemerkbar machen.

Personalmangel als Herausforderung

Ein anderes Thema, das dem Team des Albert-Schweitzer-Familienwerks Mecklenburg-Vorpommern unter den Nägeln brennt, ist der branchenübliche Personalmangel. Dieser zeigte sich besonders deutlich, als es über ein Jahr lang dauerte, bis sich für das Kinderdorfhaus in Wolgast neue Hauseltern fanden. „Es ist definitiv mehr als ein Beruf, sondern eher eine Berufung, denn die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben sind oft fließend“, weiß Anika Hauschild. Pro Kinderdorfhaus sind knapp drei Vollzeitstellen vorgesehen. Ebenso wie das ganze Team können die Fachkräfte regelmäßig Supervision und Fortbildungen wahrnehmen. Die Aufgabe sei anspruchsvoll, aber die Anstrengungen zahlten sich aus. „Wir sind immer wieder überrascht, wie viel Widerstandsfähigkeit, Motivation und positive Energie viele der Kinder trotz ihrer schwierigen Voraussetzungen entwickeln.“

Wertvolle Hilfe von Ehrenamtlichen

Erfreut ist Anika Hauschild über das vermehrte Interesse von ehrenamtlich Engagierten, deren Zahl inzwischen auf 36 gestiegen ist. Beispielsweise, berichtet sie, gebe es einen älteren Herrn, der regelmäßig für die Kinder kocht, während eine andere Dame bei den Schularbeiten hilft. „Nicht zu vergessen ist der Einsatz, den der ehrenamtliche Vorstand für das Familienwerk leistet.“ Dieser sorge für die nötige Stabilität, die allen Beteiligten zugutekomme.