Die Behindertenhilfe Bergstrasse engagiert sich seit über 50 Jahren mit unterschiedlichen Wohnformen, vielfältigen Bildungsmöglichkeiten sowie Freizeit-, Betreuungs- und Beratungsangeboten für die Inklusion und das Selbstbestimmungsrecht von Menschen mit Beeinträchtigungen.
1971
ca. 1.000
Bensheim, Lorsch und Fürth im Odenwald
Hilfe für Menschen mit eingeschränkter Mobilität
Die Behindertenhilfe Bergstrasse ist ein gemeinnütziges Unternehmen, das sich seit über 50 Jahren für die Inklusion und das Selbstbestimmungsrecht von Menschen mit Beeinträchtigungen im hessischen Kreis Bergstraße engagiert. An den Standorten in Bensheim, Lorsch und Fürth im Odenwald bietet die Behindertenhilfe Bergstrasse rund 1.000 Arbeitsplätze und ist damit einer der größten Arbeitgeber der Region. Unterschiedliche Wohnformen, die auf die Wünsche und Bedürfnisse jedes Einzelnen abgestimmt sind, tragen zu einer möglichst selbstständigen und selbstbestimmten Lebensgestaltung bei. Hinzu kommen vielfältige Bildungsmöglichkeiten sowie Freizeit-, Betreuungs- und Beratungsangebote für Kinder, Jugendliche und Familien.
„In Hessen hat die Teilhabe am Arbeitsleben einen hohen Stellenwert, auch für Menschen mit Schwerst- und Mehrfachbehinderung“, erklärt Geschäftsführer Christian Dreiss. „Deshalb sind die Tagesförderstätten eng an die Werkstätten angebunden.“ Somit können die dort betreuten Menscheneiner sinnstiftenden Beschäftigung nachgehen, wenn auch manchmal nur für einige Stunden pro Woche. Die Pflege sozialer Kontakte sowie Sport, Bewegung oder Kultur kommen dennoch nicht zu kurz.
Neue Zielgruppen – neue Konzepte
Weil das Altern der Babyboomer-Generation auch in der Behindertenhilfe unübersehbar ist, werden Angebote für Menschen im Rentenalter immer wichtiger. Aus diesem Grund wurden im Fürther Neubau – neben der Tagesförderstätte – 15 Plätze zur „Gestaltung des Tages“ eingerichtet. Zu den Aktivitäten zählen beispielsweise Ausflüge, Musik hören, Spaziergänge oder Spiele. Außerdem helfen die Teilnehmenden mit, den Alltag zu organisieren und zu gestalten. Beispielsweise bereiten sie gemeinsam mit den Mitarbeitenden die Mahlzeiten zu.
Die Klientel in der Behindertenhilfe habe sich auch mit Blick auf andere Generationen verändert. „Beispielsweise betreuen wir in unseren Einrichtungen immer häufiger junge Menschen, die durch extremes und herausforderndes Verhalten auffallen („junge Wilde“). Dieser Personenkreis benötigt in besonderem Maße stabile Beziehungen, die das Selbstvertrauen stärken.
Ein interdisziplinäres Team aus Pädagog*innen, Heilerziehungspfleger*innen und Pflegekräften stellt sicher, dass sich die Förder- und Inklusionskonzepte kontinuierlich an sich wandelnde Bedarfe anpassen. Insgesamt sind rund 400 Menschen ohne Beeinträchtigung bei der Behindertenhilfe Bergstrasse angestellt.
Engagement für mehr Teilhabe am Arbeitsleben
Ein herausragendes Anliegen der Behindertenhilfe Bergstrasse, so Christian Dreiss, sei die Inklusion im Bereich des Arbeitsmarktes. „Wir wollen erreichen, dass mehr Beschäftigte aus den Werkstätten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Fuß fassen.“ Zurzeit sind ca. 50 von ihnen für externe Arbeitgeber*innen auf betriebsintegrierten Beschäftigungsplätzen tätig. Geeignete Arbeitsplätze sieht er beispielsweise in kleinen und mittelständischen Betrieben, z. B. im Einzelhandel, in der Landschaftspflege oder auch in Kindergärten und Pflegeeinrichtungen.
Seiner Erfahrung nach sind vor allem kleine Unternehmen dazu bereit, Menschen mit Behinderung eine Chance zu geben. „Der Lohn für diese Offenheit ist ein verbessertes Miteinander aller Beschäftigen“, sagt Dreiss. „Ich wünsche mir, dass zukünftig mehr Arbeitgeber*innen den inklusiven Weg mitgehen.“ Dafür sei das Bundesteilhabegesetz (BTHG) mit dem „Budget für Arbeit“ eine gute Grundlage.
Engere Kooperation zwischen Betrieben und Eingliederungshilfe
Als stellvertretender Vorstand der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen e. V. Hessen (LAG) war Christian Dreiss an der Erarbeitung des Landesrahmenvertrags beteiligt. Danach soll es in Zukunft häufiger gelingen, die Werkstätten zu einem Sprungbrett in den regulären Arbeitsmarkt zu machen. Er verweist dabei auf die Erfolge des hessischen Modells der „Betriebsintegrierten Beschäftigung (BiB)“, das in Zusammenarbeit mit dem Landeswohlfahrtsverband Hessen entwickelt wurde. Weil Fachkräfte aus den Werkstätten den Einstieg in die Betriebe begleiten, wurden zuletzt hessenweit über 1.600 Werkstattbeschäftigte vermittelt. Bis zum Jahr 2027 sollen es 2.000 werden. Trotzdem hält es Dreiss für unrealistisch, gänzlich auf Werkstätten zu verzichten. „Nicht alle Menschen mit Behinderung sind in externen Betrieben einsetzbar.“ Dazu muss der allgemeine Arbeitsmarkt noch inklusiver werden.
Schwerpunkt „Kunst und Musik“ – ein Mehrwert für alle
Zudem legt man bei die Behindertenhilfe Bergstrasse großen Wert darauf, dass sich die Mitarbeitenden je nach persönlichen Neigungen und Talenten auch kulturell entfalten können. Daher sind Kunst und Musik seit mehr als 30 Jahren ein fester Bestandteil der arbeitsbegleitenden Maßnahmen. „Vermutlich gibt es kaum ein besseres Mittel, um die Öffentlichkeit für die Inklusion einzunehmen“, sagt Christian Dreiss. Interessierte erhalten regelmäßig Gelegenheit, sich in Jahresausstellungen und überregionalen Werkschauen von der Ausdrucksstärke, der beachtlichen Vielgestaltigkeit und der Qualität der Exponate zu überzeugen. Ein aktuelles Beispiel ist die Ausstellung „Mischmasch –Unsere Kunst – unsere Wirklichkeit“ in der Schader-Galerie in Darmstadt.
Durch die Eröffnung des „KunstReichs“ – einer eigenen Galerie in Bensheim-Auerbach – erhielten die Künstler*innen eine angemessene Plattform. „Die Bilder vermitteln echte Lebensfreude, aber auch große Sensibilität, und sind ein Genuss für die Betrachter*innen“, schwärmt Christian Dreiss. Marc Oden und Jürgen Klaban haben inzwischen den Status von Vollzeit-Künstler*innen erlangt. Sehr gefragt sind auch die drei inklusiven Bandprojekte, deren Bandbreite von Schlager („Einsam in Manhattan“) über Rock mit eigenen Songs („Hoffmann-Projekt“) sowie eine Kombination beider Genres („Faxe“) reicht. Die Bandmitglieder haben sich eine große Fangemeinde aufgebaut, die ihnen auch während der Pandemie die Treue hielt. Dass die Behinderung dabei völlig inden Hintergrund tritt, ist sowohl für das Publikum als auch für die Musiker*innen eine schöne Erkenntnis.
Aktion “Wir leben Gemeinwohl”
Bis Ende Oktober 2023 konnten Kunden der digitalen Vermögensverwaltung „GemeinwohlInvest“ im Rahmen der Aktion „Wir leben Gemeinwohl“ Projektideen einreichen, für deren Umsetzung sie finanzielle Unterstützung benötigen. Aus den Bewerbungen haben die Mitarbeitenden der SozialBank anschließend per Abstimmung die Gewinner gewählt. Für den ersten Platz werden 2.500 Euro ausgeschüttet. Die Zweit- und Drittplatzierten können sich über 1.500 Euro bzw. 1.000 Euro freuen.
Auf Platz 3 des Gewinnspiels landete die Behindertenhilfe Bergstrasse gGmbH (bhb). Von dem Preisgeld in Höhe von 1.000 Euro wird sie einen dringend benötigten Aktivlifter anschaffen, um Menschen mit eingeschränkter Mobilität sicher zu bewegen. Das Gerät wird in einem Neubau in Fürth im Odenwald zum Einsatz kommen, wo im Herbst 2023 eine Tagesförderstätte mit 30 Plätzen eröffnet hat. Zielgruppe dieses Angebots sind Menschen mit schweren und Mehrfachbehinderungen, die nicht in den „Werkstätten für behinderte Menschen“ (WfbM) tätig sein können.