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Zum „Wort des Jahres“ hat es im vergangenen Jahr nicht gereicht, es darf aber in keinem Pandemie-Lexikon fehlen: das Homeoffice. Dabei ist es nur ein Aspekt des mobilen Arbeitens. In den vergangenen Jahren hat auch das Pendeln zwischen Wohnung und Firma erheblich zugenommen. Beide Varianten – Homeoffice und Pendeln – unterstreichen die große Bedeutung der Mobilität im Arbeitsalltag. Der knapp 500 Seiten starke BKK-Gesundheitsreport widmet sein Schwerpunktthema diesen beiden Mobilitätsformen. Das Motto: „Gesund mobil arbeiten“.
Die Darstellung zum allgemeinen Gesundheitsgeschehen basiert auf Daten von knapp 9 Mio. BKK-Versicherten, darunter 4,3 Mio. beschäftigte BKK-Mitglieder. Diese waren m Jahr 2019 im Schnitt 18,4 Tage krankgeschrieben. Davon gehen viereinhalb Fehltage auf Muskel-Skelett-Erkrankungen zurück, drei Fehltage auf psychische Störungen und 2,7 Tage auf Atemwegserkrankungen. Zusammengerechnet tragen allein diese drei Krankheitsarten zu mehr als der Hälfte (10,2 Tage) aller Ausfallzeiten bei. Die 18,4 Fehltage markieren einen Höchststand: 2009 waren die Beschäftigten durchschnittlich nur 14 Tage krankgeschrieben. Außerdem ist ein Anstieg des Krankenstands durch die Pandemie im Jahresdurchschnitt 2020 nicht erkennbar.
Zentrale Ergebnisse zum Schwerpunktthema berufsbezogener Mobilität werden zusätzlich zur detallierten Analyse in vier Interviews mit Wissenschaftlern und BBK-Experten zusammengeführt. Die folgende Darstellung bezieht sich im Wesentlichen auf diese Interviews und greift leitende Aspekte zum Thema auf.
Berufstätige benötigen der Erhebung zufolge 17 Kilometer oder 25 Minuten für ihren meist täglichen Weg zur Arbeit. Am häufigsten pendeln Männer, junge Beschäftigte, höher qualifizierte und gutverdienende Menschen. Sie legen längere Strecken mit mehr Zeitaufwand zurück. Hohe Pendleranteile finden sich der BKK-Erhebung zufolge etwa in IT- und naturwissenschaftlichen Berufen, deutlich geringe Anteile hingegen bei den Gesundheitsberufen und im Gastgewerbe.
Pendler und nichtpendelnde Beschäftigte unterscheiden sich in puncto Gesundheit auf den ersten Blick nicht nennenswert. Aber: „Schaut man genauer hin und differenziert nach Weg zur Arbeit und nach der Zeit, die sie für dieses Pendeln brauchen, dann gibt es schon deutliche Unterschiede“, sagt Dr. Matthias Richter von der Abteilung für Datenmanagement der BKK. Je größer der Aufwand beim Pendeln zwischen Wohn- und Arbeitsort sei, desto nachteiliger wirke sich das auf die psychische und physische Gesundheit sowie das Sozialleben aus.
Für die Hälfte der befragten Beschäftigten (54 %) gehört das Homeoffice – zumindest gelegentlich – zum Arbeitsleben dazu. Die schockartige Umstellung im Zuge der Pandemie hat diese Entwicklung bestärkt, ein Drittel der Beschäftigten (-35 %) verzeichnet seither einen Rückgang des Pendelns. Jeder Zehnte sieht für sich positive gesundheitliche Auswirkungen. Doch bei mehr als einem Viertel der Befragten wirken sich die coronabedingten Einschränkungen negativ auf das Arbeitsleben und die psychische Gesundheit aus, besagt die Untersuchung.
Mobiles Arbeiten kann Konflikte schaffen, unterstreicht auch Prof. Simone Kauffeld vom Institut für Arbeits-, Organisations- und Sozialpsychologie der Technischen Universität Braunschweig: „Die mobile Arbeit wird häufig/vor allem mit weniger Kontrolle für die Führungskraft gleichgesetzt, mit spätem Feedback bei Unregelmäßigkeiten und einem länger angestauten und häufiger unentdeckten Konfliktpotential in Verbindung gebracht.“ Gesunde Führung sei ergebnisorientiert und so angelegt, dass die vereinbarten Ziele tatsächlich erreichbar seien. Ebenfalls wichtig: Führungsfunktionen im Sinne einer geteilten Führung oder sich selbst organisierender Teams zu delegieren und durch die Implementierung von Feedback-Mechanismen in IT-Tools zu ergänzen.
Ob mobiles Arbeiten mehr Chance oder Last sei, hänge sehr von den Rahmenbedingungen ab, unterstreicht BKK-Vorstand Franz Knieps. Für Pendler seien komfortable Verkehrsverbindungen das A und O für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Im Homeoffice stellten sich Fragen wie: Sind die Räumlichkeiten zuhause beengt? Ist jemand alleinerziehend? Sind Schule oder Kita geschlossen? Werden eine oder mehrere Fragen mit Ja beantwortet, entwickele sich mobiles Arbeiten schnell zu einer großen Last. „Alles hängt davon ab, wie die Führung der Mitarbeiter organisiert ist.“ Vor allem müsse die technische Infrastruktur stimmen und der Arbeitgeber jede Form von Homeoffice wirklich unterstützen.
Wohin steuert unsere Arbeitswelt künftig – eher in eine Präsenz- und Pendelkultur der „Vor-Corona-Zeit“ oder in Richtung des Homeoffice? Prof. Holger Pfaff, Direktor des Instituts für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR) der Universität zu Köln und Mitherausgeber des BKK-Reports, plädiert für einen Mittelweg. Einerseits bedeute Arbeit für viele Mitarbeiter nicht nur Geldverdienen, sondern auch die Pflege sozialer Kontakte. Die Arbeit am heimischen Schreibtisch fördere je nach Umfang den Verlust von Gemeinsamkeit, Solidarität und Zusammenhalt. „Der Mittelweg zwischen Präsenzkultur und Homeoffice besteht darin, dass zumindest es einen oder zwei Tage in der Woche gibt, wo man fixe Termine hat, wo man klar weiß, der Dienstag und der Mittwoch, da bin ich im Büro, da kann man sich austauschen.“
Franz Knieps / Holger Pfaff (Hg.), Mobilität, Arbeit, Gesundheit.
BKK Gesundheitsreport 2020 Zahlen, Daten, Daten, Fakten. Mit Gastbeiträgen aus Wissenschaft, Politik und Praxis, BKK Dachverband, e. V., 485 Seiten
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