Suche
Im Frühjahr ernteten Pflegende, Verkäufer*innen und alle, „die das Land am Laufen halten“, reichlich Lob und Zuspruch. Finanziell aber dürfte für sie nicht viel herauskommen, zeigt eine Studie der Bertelsmann Stiftung zur Lohneinkommensentwicklung bis 2025. Den unteren Lohngruppen drohen demnach künftig sogar reale Einkommensverluste, während sich die Bezieher höherer Gehälter auf Zuwächse freuen dürfen. Eine aktuelle Untersuchung der Hans-Böckler-Stiftung konzentriert sich auf die unmittelbaren sozialen Folgen der Corona-Krise und sieht ebenfalls die unteren Lohngruppen unter Druck.
Das reale Bruttojahresgehalt im Gesundheits- und Sozialwesen wird laut Bertelsmann-Studie in fünf Jahren rund 4.400 Euro unter dem Durchschnittslohn von 34.000 Euro liegen, im Einzelhandel sogar 10.200 Euro darunter. Das verfügbare reale Einkommen der unteren Einkommensgruppen geht bis 2025 inflationsbereinigt um etwa zwei Prozent zurück. Anders hingegen die Entwicklung in der Industrie: Dort nimmt der Verdienst bei Beschäftigten in der Chemie- und Autobranche zwischen 2017 und 2025 um 6.000 Euro zu.
Diese Aussicht dürfte den Betroffenen, denen man eben noch Systemrelevanz attestierte, reichlich zynisch anmuten. Die Forscher erklären ihre Prognose mit nüchternen ökonomischen Mechanismen. Dabei rücken sie das Produktivitätswachstum als Treiber der Entlohnung in den Fokus: Beschäftigte in kapitalintensiven Sektoren, mit Spezialwissen, in Branchen mit Tarifbindung und schlagkräftigen Gewerkschaften profitieren davon am stärksten. In den arbeitsintensiven Branchen des Gesundheitswesens und des Einzelhandels dagegen werde das Wachstum der Arbeitsproduktivität bis 2025 nur etwa halb so hoch ausfallen wie im verarbeitenden Gewerbe und in der Chemie- und Elektroindustrie. „Entsprechend geringer ist der Spielraum für Lohnerhöhungen“, so die Schlussfolgerung.
Um die Bezahlung in den arbeitsintensiven Bereichen, beispielsweise in der Gesundheitsbranche zu verbessern, müsse auch hier die Produktivität gesteigert werden. Die Digitalisierung von Abläufen und Dokumentationen biete dafür reichlich Potenzial, konstatiert die Studie: „Hiervon werden am Ende auch die Erwerbstätigen profitieren."
Drei Haushaltstypen stechen bei der künftigen Lohn- und Einkommensentwicklung hervor:
Angesichts dieser Entwicklungen warnt Studienleiter Torben Stühmeier vor zunehmenden gesellschaftlichen Ungleichheiten. Das Fünftel der am besten verdienenden Erwerbstätigen könnte seinen Jahresverdienst bis 2025 um insgesamt 7.000 Euro steigern, das am wenigsten verdienende Fünftel nur um 300 Euro. Preisbereinigt nehme das Einkommen dieser Gruppe sogar ab. „Es lässt sich voraussagen, dass das Coronavirus bestehende Ungleichgewichte eher noch verschärfen dürfte.“
Eine Einschätzung, die der Verteilungsbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung bestätigt. Auch diese Untersuchung sieht den Abstand zwischen hohen und niedrigen Einkommen durch die Pandemie wachsen, die Mitte drohe zurückzufallen. „Erwerbspersonen mit schon vorher niedrigen Einkommen sind im bisherigen Verlauf der Corona-Krise fast doppelt so häufig von Einbußen betroffen wie Menschen mit hohen Einkommen – und sie haben zudem relativ am stärksten an Einkommen verloren“, lautet der Befund. Konkret: Erwerbstätige mit Migrationshintergrund, Personen in atypischen oder prekären Jobs als Leiharbeiter oder Minijobber haben im Verlauf der Krise häufiger Einkommen verloren als stabil Beschäftigte, Eltern mit Kindern öfter als Kinderlose. Als wichtigste Schutzmechanismen sehen die Autor*innen die Stärkung der sozialen Sicherung und von Kollektiverträgen, aktuell zudem ein höheres Kurzarbeitergeld und eine längere Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld bis zum Ende der Krise.
Gehaltseinbußen und die Wahrnehmung einer ungleichen Verteilung der Krisenlasten könnten gesamtgesellschaftlich destabilisierend wirken. Daher sei es wichtig, im Zuge der Krisenbewältigung nicht nur die wirtschaftliche, sondern auch die soziale Gerechtigkeit im Blick zu haben.
Andreas Sachs / Jakob Ambros / Jan Limbers u.a., Lohneinkommensentwicklung 2025. Wirkung der Produktivität auf die Lohnentwicklung, Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), 1. Auflage, Gütersloh 2020, 44 Seiten, Download
Bettina Kohlrausch / Aline Zucco / Andreas Hövermann, Verteilungsbericht 2020 – Die Einkommensungleichheit wird durch die Corona-Krise noch weiter verstärkt. WSI Report Nr. 62, November 2020, 2 Seiten, Download
Gesundheit
Gute Vorsätze für 2021: Mit der Fünf-Punkte-Formel werden sie wahr
Digitalisierung
Start-up trifft Traditionsunternehmen – zwei Welten, ein Miteinander
Arbeitswelt
BKK-Gesundheitsreport 2020: Gesund mobil arbeiten
Digitalisierung
Projekt KommmiT in Stuttgart: Ältere helfen Älteren
Fundraising
Spenden in Coronazeiten: Mehr Geld, aber nicht für alle
Soziales
„Corona-Helden“ drohen Einkommensverluste: Außer Beifall nichts gewesen
Buchempfehlung
Riane Eisler: Die Verkannten Grundlagen der Ökonomie
Susanne Bauer
Senior Referentin Unternehmenskommunikation
Konrad-Adenauer-Ufer 85
50668 Köln
T 0221 97356-237
F 0221 97356-477
E-Mail