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Mit dem Laptop vor rauschenden Palmen, das bunte Cocktailglas vis-à-vis. Einziges Muss sind schnelles Internet und ein blendfreies Display. Digitale Nomaden klappen ihr Büro überall dort auf, wo andere Urlaub machen, so vermitteln es neiderregende Stories. Tatsächlich aber sind solche Arbeitswelten vorerst noch exotisch selten. Aktuell, zum Ausklang der Corona-Pandemie mit dem unfreiwilligen Großversuch des Homeoffice, bahnt sich vielmehr eine andere Normalität an: Die Beschäftigten kehren mit veränderten Ansprüchen ins Büro zurück, weiß die Studie „Homeoffice Experience 2.0“ des Fraunhofer-Instituts (IAO). Dabei geht es um mehr als den passenden Schreibtisch. Auch auf das Essen kommt es an.
Die Corona-Pandemie hat der Diskussion um ortsflexibles Arbeiten einen kräftigen Schub gegeben. Die vorliegende Studie untersucht, welche Auswirkungen das Homeoffice auf das Berufs- und Privatleben hat und was daraus für die künftige Arbeitswelt folgt. Die Expertise beruht auf Angaben von rund 1.700 Befragten zwischen Mai und August 2021 und knüpft an eine Studie von Ende 2020 an. Bei Letzterer ging es um die Arbeit im Homeoffice, bei der neuen Studie um Hindernisse und Anreize für die Rückkehr ins Büro.
Im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit wird der Büro- und Geschäftsreiseanteil künftig abnehmen, gaben die Befragten an. Vor der Pandemie verbrachten sie einen Großteil ihrer Arbeitszeit im Büro – durchschnittlich 15 Tage pro Monat (auf der Basis von monatlich 20 Arbeitstagen). Die übrigen fünf Tage verteilten sich auf das Arbeiten zu Hause, auf Reisen und im Coworking Space. Künftig, so die Studie, werden die Bürotage von 15 auf 11 schrumpfen und das Homeoffice um durchschnittlich fünf Tage zulegen. Geschäftsreisen werden erheblich seltener.
In den langen Homeoffice-Monaten während der Pandemie haben sich wichtige Motive für die Bürorückkehr herauskristallisiert: die Möglichkeit zu konzentrierter Arbeit, zu Besprechungen, Zusammenarbeit und informeller Kommunikation. Allerdings befürchten die Befragten zugleich, im Büro gestört und aus dem Flow gerissen zu werden. Der Widerspruch zwischen dem Bedürfnis nach Kommunikation und ungestörtem Arbeiten sollte bei der künftigen Gestaltung der Arbeitsumgebung berücksichtigt werden, legt die Studie nahe: „Trotz des ausgeprägten Wunsches nach Austausch werden auch Rückzugsorte benötigt.“
Die Befragten unterscheiden sich zunehmend in zwei Gruppen danach, welchen Arbeitsort sie als den produktivsten empfunden haben.
2020 gaben knapp 40 Prozent an, zu Hause am leistungsfähigsten arbeiten zu können, 2021 waren es 45 Prozent. Gleichzeitig stieg der Anteil der Menschen von 18 auf 30 Prozent an, die sich im Büro besser aufgehoben fühlten. Die Studie spricht von „einer deutlichen Polarisierung der beiden Gruppen”. Stark abgenommen hat dagegen die Zahl der Personen, die keinen Unterschied empfanden.
Unabhängig davon, ob die Befragten lieber in den eigenen vier Wänden oder im Büro arbeiten, erleben beide Gruppen seit der Corona-Pandemie eine bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben. Für Menschen, die bevorzugt zu Hause arbeiten möchten, gilt das noch mehr als für Beschäftigte, die das Büro ihres Arbeitgebers vorziehen. Für Heimarbeiter stellt sich aber das Problem der Entgrenzung beider Lebenswelten, was wiederum persönlich nachteilig sein kann.
Eine erhebliche Rolle bei der Wahl des Arbeitsortes spielen die Voraussetzungen daheim. Je schlechter dort die technische (Rechner, WLAN-Router, Drucker) und ergonomische Ausstattung (Stuhl, Schreibtisch, Beleuchtung, Platzangebot) ausfällt, desto mehr Bürotage wünschen sich die Befragten – im Extremfall bis zu 17 Tagen. Zusätzliche Anreizefür dieRückkehrbereitschaft sind eine attraktive Verkehrsanbindung, kurze Fahrtdauer, Sportangebote und gutes Essen. „Offensichtlich wird auch das gemeinsame Mittagessen als weitere Möglichkeit gesehen, mit den Kolleg*innen in Kontakt zu treten und sich während der Mittagspause auszutauschen.“ Mit zunehmendem Alter der Beschäftigten verlieren jedoch sämtliche Anreize an Zugkraft.
Diese Aspekte könnten unternehmensseitig Überlegungen zur gleichmäßigen Auslastung von Büroräumen anstoßen. Etwa durch gemeinsame Entspannungsrunden in der Mittagpause oder die Einführung von Team-Tagen, raten die Autor*innen.
Die während der langen Pandemie im Homeoffice erfahrene Flexibilität wollen künftig nur noch wenige Beschäftigte missen, besagt die Studie. Die Büroarbeitszeit wird über alle Altersgruppen hinweg bei nur noch knapp über der Hälfte der Gesamtarbeitszeit liegen. Allerdings konkurrieren Homeoffice und Büro um die besten Arbeitsbedingungen. Es bedarf gültiger Regelungen für eine effektive Kooperation beider Arbeitswelten.
Für das Büro sollten die Voraussetzungen neu gedacht werden. Alleine schon angesichts des zusätzlichen Zeitaufwands für Pendler muss sich die Fahrt ins Büro wirklich lohnen. Da alle Mitglieder eines Teams immer seltener zeitgleich vor Ort sind, dürfte sich die einst strenge räumliche Zuordnung von Abteilungen, Etagen und Gebäudebereichen weiter aufbrechen, führt die Studie aus. Darüber hinaus nehme Projektarbeit zulasten herkömmlicher Einzelarbeit zu.
Folglich sollten sich offene und loungeartige Begegnungsorte an der wachsenden Rolle des Büros für Ideenfindung und Zusammenkommen orientieren. Um Anreize zur Rückkehr zu schaffen, bedürfe es innovativer Bürokonzepte sowie erlebnis- und lernorientierter Betriebsformen: insbesondere Rückzugsräume für fokussiertes Arbeiten sowie hybride und großzügig ausgelegte Besprechungs- und Projekträume.
Milena Bockstahler / Mitja Jurecic / Stefan Rief, Homeoffice Experience 2.0. Veränderungen, Entwicklungen und Erfahrungen zur Arbeit aus dem Homeoffice während der Corona-Pandemie, Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, Stuttgart 2022, 24 Seiten
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