- Mehr als die Hälfte der Träger erwartet ein Jahresdefizit
- Keine Mittel für zukunftsweisende Investitionen und werterhaltende Geldanlagen verfügbar
- Fachkräftemangel, Lohnkostensteigerungen und Belegungsrückgänge sind zentrale Herausforderungen
Innerhalb eines Jahres hat sich die wirtschaftliche Lage von Unternehmen der Sozial- und Gesundheitswirtschaft drastisch verschlechtert. Das ist das zentrale Ergebnis des dritten „Trendbarometer Sozial- und Gesundheitswirtschaft“, das die SozialGestaltung im Auftrag der SozialBank (Bank für Sozialwirtschaft) durchgeführt hat. Es untersucht die wirtschaftlichen Auswirkungen der Inflation, der steigenden Personalkosten und der Herausforderungen bei der Wertsicherung des Vermögens. Das Ergebnis unterstreicht die jüngsten Appelle der Leistungserbringer an die Politik. Demnach lassen sich die Anforderungen an die soziale Infrastruktur hinsichtlich Leistungsangebot und Versorgungsqualität nur dann weiterhin erfüllen, wenn angesichts der Kostensteigerungen zügig für eine angemessene Finanzierung der Leistungen gesorgt wird.
Mehr als die Hälfte der befragten Einrichtungen und Organisationen (53,6 Prozent) erwartet für 2023 ein negatives Jahresergebnis. Vor einem Jahr gingen nur 31,4 Prozent von einem Defizit aus. Fast die Hälfte (46,4 %) hält die wirtschaftliche Situation ihres Unternehmens auch in den kommenden sechs Monaten für angespannt. Dieser Wert ist innerhalb eines Jahres von 14,3 Prozent um 32 Prozentpunkte nach oben geschnellt. Diese Situation sorgt für Unsicherheit und führt zu Zurückhaltung bei den Marktteilnehmern und Investoren.
Die Befragten sehen im Fachkräftemangel, den Lohnkostensteigerungen und dem Belegungsrückgang aufgrund fehlenden Personals die wesentlichen wirtschaftlichen Herausforderungen in den kommenden zwölf Monaten. Wenn nicht genügend Fachkräfte vorhanden sind, können die Einrichtungen nicht alle verfügbaren Plätze belegen. Dies führt zu ungeplanten Ertragseinbußen. Drei Viertel der Befragten gaben an, dass der Personalbereich das größte Investitionsfeld im Jahr 2024 ist.
Ertragseinbußen, steigende Personalkosten und inflationsbedingte Kostensteigerungen spiegeln sich nicht in der Vergütung von Gesundheits- und Krankenversorgungsleistungen wider. „Die politischen Entscheidungsträger müssen endlich für eine angemessene Finanzierung der Leistungen sorgen“, sagt Prof. Dr. Harald Schmitz, Vorstandsvorsitzender der SozialBank „Die soziale und gesundheitliche Versorgung kann sonst nicht aufrechterhalten und schon gar nicht weiterentwickelt werden. Das geht letztlich zu Lasten der Leistungsempfänger.“ Auf lange Sicht führt der derzeitige Liquiditätsmangel zu fehlenden Rücklagen in der Zukunft. Schon jetzt können rund 40 Prozent der Befragten aufgrund fehlender Überschüsse keine Maßnahmen ergreifen, um den realen Wertverlust durch die Inflation abzumildern.
Für die Investitionsfinanzierung fehlen liquide Mittel und eine ausreichende Refinanzierung. „Wenn die Einrichtungen nicht kostendeckend arbeiten können, wächst der schon jetzt gravierende Investitionsstau noch weiter an“, sagt Susanne Leciejewski, Geschäftsführerin der SozialGestaltung. „In der derzeitigen Situation können auf absehbare Zeit lediglich die notwendigsten Investitionen wie die Instandsetzung der Immobilien zur Aufrechterhaltung des Betriebs getätigt werden. Für wichtige Zukunftsthemen wie Nachhaltigkeit und die Weiterentwicklung der Geschäftsmodelle fehlen sowohl das Geld als auch das Vertrauen der Investoren in die wirtschaftliche Stabilität der sozialen Unternehmen.“ Die Folge: Dringend notwendige energetische Sanierungen werden weiter verschoben, geplante Ankäufe und Übernahmen vieler Betreiber verzögern sich.
Für das dritte „Trendbarometer Sozial- und Gesundheitswirtschaft“ hat die SozialGestaltung erneut ausgewählte Vertreter*innen von insgesamt mehr als 1.000 Einrichtungen in den Branchen und Leistungsfeldern des Sozial- und Gesundheitswesens zu den Auswirkungen der Inflation, der steigenden Personalkosten und der Herausforderungen bei der Wertsicherung des Vermögens befragt. Die Umfrage wurde vom 16. August bis zum 16. Oktober 2023 durchgeführt. Das erste Trendbarometer Sozial- und Gesundheitswirtschaft wurde im Oktober 2022, das zweite im März 2023 veröffentlicht.
Das „Trendbarometer Sozial- und Gesundheitswirtschaft“ ist kostenlos abrufbar unter: