Fachkräftemangel

Artikel Trendinfo 09/2024

SozialBank

Wie Unternehmen Beschäftigte mit Familie und der Generation 50+ besser halten können

In zahlreichen Branchen zwingt der Fachkräftemangel Unternehmen dazu, die Arbeitsbedingungen attraktiver zu gestalten. Als relevante Personengruppe gelten vor allem Arbeitnehmer*innen mit Familie. Ihre Bedürfnisse stehen im Mittelpunkt einer Studie der Prognos AG. Diese belegt, dass eine familienfreundliche Unternehmenskultur aus Sicht der meisten Mitarbeiter*innen unverzichtbar ist.

Da es zu wenige junge Menschen gibt, um die sogenannten Babyboomer auf dem Arbeitsmarkt zu ersetzen, wächst allmählich das Bewusstsein für die Qualitäten älterer Beschäftigter. Mit dem Gesundheitsreport 2024 geht die Techniker Krankenkasse deshalb der Frage nach, auf welche Weise Mitarbeiter*innen 50+ dem Berufsleben möglichst lange erhalten bleiben.

Gemeinsam liefern beide Publikationen zahlreiche Denkanstöße zur besseren Bindung Beschäftigter.

Attraktive Arbeitsbedingungen für Beschäftigte mit Familie

Wie der Prognos-Studie zu entnehmen ist, übernimmt in Deutschland mehr als jede vierte erwerbstätige Person familiäre Pflichten, indem sie minderjährige Kinder und/oder pflegebedürftige Angehörige betreut. Um mehr über die Bedürfnisse dieser Beschäftigtengruppe zu erfahren, wurden rund 2.500 Eltern und pflegende Angehörige befragt.

Familienfreundliche Unternehmenskultur als Grundlage

„Die Aufgabe, Job und Familie unter einen Hut zu bringen, ist ein Balanceakt, der je nach Lebensphase und individueller Situation variiert“, stellen die Forschenden fest.

Für 44 Prozent der befragten Arbeitnehmer*innen ist eine flexible Urlaubsplanung der bedeutsamste Faktor, um die Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie zu gewährleisten. 39 Prozent wären (sehr) wahrscheinlich bereit, dafür Abstriche beim Gehalt zu machen. Gleichzeitig erklärten 45 Prozent, sie würden sich „wahrscheinlich oder sehr wahrscheinlich“ einen anderen Job suchen, falls ihnen diese Möglichkeit (dauerhaft) verwehrt wird.

39 Prozent der Beschäftigten legen großen Wert darauf, z.B. in Notfällen ihre Arbeitszeit und den Arbeitsort anpassen zu können. Zudem sind 42 Prozent der Befragten (sehr) wahrscheinlich zu einem Jobwechsel bereit, sollte sich ihr familiäres Engagement negativ auf ihre Karriere auswirken.

Differenzierte Angebote für einzelne Zielgruppen

Eine weitere Erkenntnis: Die Maßnahmenplanung sollte sich nach den konkreten Bedürfnissen der Zielgruppen richten.

So ist es der Studie zufolge vor allem erwerbstätigen Müttern wichtig, dass Arbeitgeber*innen die Öffnungszeiten von Betreuungseinrichtungen angemessen berücksichtigen. Mehr als arbeitende Väter möchten sie ihre Arbeitszeit je nach Bedarf reduzieren oder aufstocken können. Dagegen bevorzugen erwerbstätige Väter insbesondere Angebote wie Gleitzeit oder Vertrauensarbeitszeit.

Pflegende Beschäftigte wünschen sich in erster Linie, dass die Pflege nahestehender Menschen – analog zur Betreuung von Kindern – als eine „normale Aufgabe“ wahrgenommen und entsprechend enttabuisiert wird. Den Stellenwert einer von Empathie geprägten Unternehmenskultur schätzen Befragte höher ein als etwa die Bereitstellung von Pflegeplätzen durch Arbeitgeber*innen.

Berücksichtigung vielfältiger Lebensumstände

Als vielversprechenden Schritt erachten es die Forschenden, entsprechende Vereinbarkeitssituationen zum Gegenstand von Mitarbeitendengesprächen zu machen. Auf diese Weise könnten Herausforderungen rechtzeitig identifiziert und (innere) Kündigungen verhindert werden.

Gleichzeitig weist die Studie auf Branchen hin, in denen einer flexibleren Gestaltung von Arbeitsbedingungen enge Grenzen gesetzt sind. Dazu zählen die Produktion sowie die Pflege.

Fazit

Unternehmen, die eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen, profitieren gleich auf doppelte Weise, resümiert die Studie. Sie können nicht nur im Wettbewerb um Fachkräfte punkten, sondern außerdem „ihre Ressourcen effizient einsetzen und unnötige Kosten für wenig attraktive Angebote vermeiden.“

Wie hält man ältere Mitarbeiter*innen im Job?

Wie muss ein Arbeitsplatz gestaltet sein, damit Menschen ab 50 ihren Job länger ausüben? Welche konkreten Vorstellungen und Wünsche haben sie? Diese Fragen stellte das Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG) im Rahmen des TK-Gesundheitsreports 2024 mehr als 1.000 Beschäftigten. Zusätzlich wollte das IFBG von 300 Arbeitsgeber*innen wissen, welche Angebote sie bereits vorhalten und welche sie zukünftig planen.

Belege für die Bedeutung des Themas

Die Dringlichkeit des Themas ist unübersehbar, wenn man sich die Zahlen ansieht:

  • In 46 Prozent der befragten Unternehmen wird in den nächsten fünf Jahren mehr als ein Viertel der Arbeitnehmer*innen in den Ruhestand gehen. Bei 10 Prozent sind es sogar mehr als ein Drittel.
  • 31,3 Prozent der Beschäftigten planen zudem, ihre Erwerbstätigkeit vor dem gesetzlich geplanten Renteneintritt zu beenden.

Ein zentrales Ergebnis des Reports: Je älter die Beschäftigten sind, desto wichtiger ist es ihnen, etwas Sinnstiftendes zu leisten. Daraus leitet sich folgende Empfehlung ab: „Den Beschäftigten sollte die Bedeutung und Wertschätzung der geleisteten Arbeit regelmäßig widergespiegelt werden, besonders im Kontext des gesamten Unternehmens – beispielsweise im Rahmen eines regelmäßigen 360-Grad-Feedbacks (Rundumbeurteilung von Kunden über Kollegen bis hin zu Führungskräften).“

Eine selbstbestimmte Tätigkeit sowie die Chance, Arbeitszeit und Arbeitsort der individuellen Lebenssituation anpassen zu können, erwiesen sich im Rahmen der Befragung ebenfalls als ausschlaggebende Kriterien.

Das Konzept des „New Work“, das maßgeblich auf den Faktoren „Flexibilität“ sowie „Wertschätzende Kooperation“ basiert, kann den Zeitpunkt des Renteneintritts somit beeinflussen, meinen die Autor*innen des Reports.

Wunsch und Wirklichkeit

Auf die Frage, unter welchen Bedingungen ein längerer Verbleib im Job für sie infrage kommt, nannten Mitarbeiter*innen 50+ folgende Aktivitäten.

  • 73,7 Prozent wünschen sich eine Anpassung der Arbeitszeit an ihre persönlichen Bedürfnisse.
  • 70,3 Prozent halten es für sinnvoll, wenn ihnen ihr Unternehmen beim individuellen Übergang in den Ruhestand zur Seite steht.
  • 66,5 Prozent nennen ein höheres Gehalt als Voraussetzung.
  • 64 Prozent möchten bei Bedarf zwischen Teilzeit und Vollzeit wechseln können.
  • Gesundheitsfördernde Angebote sind für 60 Prozent der Befragten ein Grund, länger bei ihren jeweiligen Arbeitgeber*innen zu bleiben.

Der TK-Gesundheitsreport untersuchte zudem, welche Maßnahmen deutsche Unternehmen tatsächlich umsetzen. Hier zeigte sich eine deutliche Diskrepanz: „Lediglich die Möglichkeit, zwischen Teilzeit und Vollzeit zu wechseln sowie gesundheitsförderliche Maßnahmen treffen das tatsächliche Interesse der befragten Beschäftigten.“

Geplante Maßnahmen

Außerdem wurden die teilnehmenden Arbeitgeber*innen gefragt, welche Maßnahmen sie in den kommenden drei Jahren planen.

  • Mit einem Anteil von 43 Prozent landet die Unterstützung durch KI im Arbeitsalltag auf dem ersten Platz der Nennungen.
  • 37,5 Prozent der befragten Unternehmen beabsichtigen, Mentoring-Programme einzuführen, damit ältere Beschäftigte ihr Erfahrungswissen an jüngere weitergeben.
  • Den Einsatz von neuen Technologien wollen 37,1 Prozent der Arbeitgeber*innen erhöhen.
  • 34,2 Prozent verfolgen zukünftig das Ziel, ihre Beschäftigten beim individuellen Eintritt in den Ruhestand zu unterstützen.
  • Schließlich planen 33,7 Prozent eine Anpassung des Arbeitsortes an die persönlichen Bedürfnisse ihrer älteren Beschäftigten.

 

Weßler-Poßberg, Dagmar/Samtleben, Claire/Stoll, Evelyn/Weuthen, Ulrich: Familienfreundliche Arbeitgeber: Die Attraktivitätsstudie – Was Müttern, Vätern und pflegenden Angehörigen für Vereinbarkeit von Familie und Beruf wichtig ist und was Unternehmen tun können. Erstellt im Rahmen des Unternehmensprogramms „Erfolgsfaktor Familie“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Prognos AG, Berlin 2024. Download.

Rees, Sai-Lila/Beer, Maren/Böhling, Lisa: IFBG – Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung, Konstanz, (Kapitel 1) - Grobe, Thomas G./Bessel, Sven - aQua – Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, Göttingen, (Kapitel 2, 3, 4): Gesundheitsreport 2024 – Fachkräftemangel: Was hält die Generation 50+ im Job? Techniker Krankenkasse (Hrsg.). Download.

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