Klimaschutz

Artikel Trendinfo 09/2024

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FES-Studie: Klimaanpassung als sozialpolitische Gestaltungsaufgabe

Die Folgen des Klimawandels zeigen sich in Europa deutlich. Laut dem Deutschen Wetterdienst war das Frühjahr 2024 in Deutschland das wärmste seit Messbeginn im Jahr 1881. Allerdings sind nicht alle Menschen in gleicher Weise von den Auswirkungen betroffen. Aus Sicht der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) zählt der Klimawandel somit zu den neuen sozialen Fragen des 21. Jahrhunderts. Für die FES analysieren Julia Teebken und Michael Schipperges die Hintergründe und zeigen Lösungen auf.

Soziale Dimension bislang ein Randthema

Zum besseren Verständnis geben die Forschenden zunächst einen Überblick über bisherige Befunde und Interventionen. Sie verweisen beispielsweise auf den 2023 erschienenen UBA-Monitoringbericht, der im Auftrag des Bundesumweltamtes erstellt wurde. Aus diesem geht hervor, dass es in den vergangenen vier Jahren in Deutschland häufiger zu extremen Wetterereignissen kam. Die Zahl der Hitzetoten habe jedoch, so der Bericht, trotz einer Zunahme extrem heißer Sommertage seit 2003 abgenommen. Zurückzuführen sei diese auf bereits umgesetzte Maßnahmen, wie etwa Hitzewarndienste. Es bestehe jedoch weiterer Handlungsbedarf, auch im Bereich der Pflege.

Angesichts negativer Folgen von Hitzewellen für die physische und die psychische Gesundheit fordert die Klimawirkungs- und Risikoanalyse (KWRA), innerhalb des Gesundheitswesens mehr zu investieren. Dazu gehören die Aus- und Weiterbildung von Ärzt*innen und dem Pflegepersonal sowie Präventionskampagnen.

Die Forschenden der FES kritisieren, dass die soziale Dimension sowohl in den Monitoring-Berichten als auch in der KWRA lediglich vereinzelt zur Sprache komme. Außerdem überwiege eine „sektorale und technikorientierte Betrachtung“. Als besonders vulnerable Gruppen werden Menschen, die im Freien tätig sind, sowie Menschen mit Vorerkrankungen, Kleinkinder und Ältere in den Blick genommen.

Klimaanpassung als politische Aufgabe

Nach Überzeugung der Forschenden sind die komplexen Herausforderungen des Klimawandels nur dann lösbar, wenn unterschiedliche staatliche und nicht-staatliche Akteur*innen koordiniert zusammenarbeiten.

Als eines von mehreren Beispielen für staatliche Interventionen auf der Bundesebene, bei denen soziale Dimensionen eine Rolle spielen, wird der dritte Aktionsplan (APA III) der Bundesregierung von 2020 genannt. Dieser empfiehlt unter anderem, Verfahren zur Beteiligung von Bürger*innen auszubauen, damit soziale Aspekte und Fragen der Gerechtigkeit von Klimaanpassungsmaßnahmen aufgegriffen werden.

Als Beispiel auf der Landesebene nennt die Studie das nordrhein-westfälische Klimaanpassungsgesetz. Es fordert explizit ein Monitoring der sozialen Auswirkungen. Ähnliche Anforderungen finden sich den Forschenden zufolge in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen und Niedersachsen.

Zu den primären Aufgaben von Akteur*innen der lokalen bzw. kommunalen Ebene zählt die planerische und administrative Realisierung von Maßnahmen. Zusätzlich entwickeln sie eigene Strategien, die auf die lokalen Verhältnisse zugeschnitten sind. Manchmal kommt es in diesem Zuge jedoch zu unerwünschten Paradoxien. Als Beispiel thematisiert die Studie die sogenannte „Green Gentrification“ bzw. das „Green-Resilience-Paradox“. Dieses Phänomen entsteht, wenn Stadtquartiere durch „grüne und blaue Infrastrukturen“ Resilienz entwickeln und sich als Folge die Grundstücks- und Mietpreise erhöhen. Sozial benachteiligte Bewohner*innen können auf diesem Weg aus ihrem Wohnumfeld verdrängt werden.

Nicht-staatliche Akteur*innen

Wie die Forschenden betonen, sind es gerade nicht-staatliche Akteur*innen, die für eine Beachtung von Verteilungs- und Gerechtigkeitsfragen sorgen. Zu ihnen gehören Umweltorganisationen, Sozial- und Wohlfahrtsverbände sowie Gewerkschaften. Letztere hatten in einer gemeinsamen Stellungnahme entsprechende Nachbesserungen beim Klimaanpassungsgensetz (KAnG) gefordert.

Die Sozial- und Wohlfahrtsverbände setzen sich dafür ein, „Gesundheit und Pflege oder auch den sozialen Sektor als eigenständige Cluster zu berücksichtigen“. Zudem fordern sie nachdrücklich finanzielle Mittel, um Trägern der freien Wohlfahrtspflege mehr Klimaanpassung in ihren Einrichtungen zu ermöglichen. Damit wollen sie insbesondere Kranken, Pflegebedürftigen und Wohnungslosen angesichts klimawandelbedingter Gefahren helfen.

Fazit und Schlussfolgerungen

Als Resümee halten die Forschenden fest, dass soziale Aspekte bei der Klimaanpassung auf der Bundes- und Landesebene bislang ein Nischenthema sind. Zudem würden weder vorteilhafte noch nachteilige Nebeneffekte entsprechender Maßnahmen angemessen beachtet werden.

  • An die Politik ist die Empfehlung gerichtet, eine „integrierte, ganzheitliche Perspektive“ einzunehmen sowie den sozialstrukturellen Ursachen für Vulnerabilität und Benachteiligung nachzugehen und diese zu thematisieren.
  • Es sollten ausreichende Finanzmittel zur Umsetzung der Klimaanpassung bereitstellt werden, die auch soziale Aspekte berücksichtigen, fordern die Forschenden.
  • Sozialpolitische Akteur*innen sowie Betroffene und ihre Erfahrungen sollten bei der Konzeption konkreter Maßnahmen einbezogen werden. Dies könne zu mehr Effizienz sowie zur besseren Akzeptanz führen.
  • Für vielversprechend halten die Forschenden vor allem „Allianzen zwischen sozial- und umweltpolitisch Engagierten“.

 

Teebken, Julia/ Schipperges, Michael: Soziale Frage Klimawandel. Klimaanpassung als sozialpolitische Gestaltungsaufgabe, FES diskurs, Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.), Bonn, Juli 2024. Download.

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