Künstliche Intelligenz

Artikel Trendinfo 09/2024

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KI in Medizin und Pflege: „Hohe zeitliche und finanzielle Einsparpotenziale“

Bei Künstlicher Intelligenz (KI) im Gesundheitssystem denken viele Menschen zuerst an robotergesteuerte OP-Eingriffe und datenintensive Behandlungskonzepte. Tatsächlich ist KI längst auch im organisatorischen Alltag von Krankenhäusern, Pflegeheimen und Arztpraxen angekommen – etwa für die Terminplanung, Abrechnung oder Dokumentation. Eine Studie der KI-Plattform Lernende Systeme sieht in der KI-Steuerung organisatorischer Prozesse „hohe zeitliche und finanzielle Einsparpotenziale“, die direkt der Patientenversorgung zugutekommen könnten. Wie wichtig für die erfolgreiche Implementierung neuer Technologien die Akzeptanz der Pflegekräfte ist, zeigt eine weitere aktuelle Studie über den Nutzen der Sprachsoftware Alexa im Altenheim.

Viele Anwendungsbereiche

Zunächst zur Plattform-Studie „KI für bessere Abläufe in Medizin und Pflege“: Die Autorinnen und Autoren führen darin konkrete, bereits in der Praxis verfügbare Beispiele für den sinnvollen KI-Einsatz im administrativen Bereich auf:

  • Managementaufgaben: intelligente Dienstplanung, Bedarfsplanung und Terminmanagement, Planung der Verfügbarkeit von Behandlungsräumen, Koordination von Personal und Material in wechselnden Versorgungsszenarien.
  • Verwaltungsprozesse: Entlassmanagement, Abrechnung, frühzeitige Erkennung von Lieferengpässen, Warenbestellung, Dokumentation, Medizincontrolling.
  • Kernaufgaben der Patientenversorgung: Auswertung von Daten aus dem häuslichen Umfeld zur Erkennung von Notlagen, telemedizinische Erfassung und KI-basierte Auswertung diagnostischer Parameter, personalisierte Medikationspläne, sprachliche Interaktion, Aktivierung und automatisierte Tagespläne für pflegebedürftige Personen.

Beträchtlicher Effizienzgewinn

Die Studie der KI-Plattform präsentiert einige Beispiele für die Kosteneffizienz der neuen Technologie im Praxisbetrieb. So schätzt eine Untersuchung (2017) die mögliche Wertschöpfung durch KI in administrativen Arbeitsabläufen in den USA bis 2026 auf 18 Milliarden US-Dollar. Für Deutschland rechnet die Plattform-Studie folgendes Beispiel durch: Durchschnittlich 44 Minuten pro Tag für das Erstellen von Entlassungsberichten verursachen für ein Krankenhaus mit 450 Betten jährlich 5,5 Millionen Euro Personalkosten. Die KI-gestützte Erledigung von Routinearbeiten kann hierbei maßgeblich zur Entlastung von Gesundheitsfachkräften und zur Verbesserung der Patientenversorgung beitragen. Eine weitere Studie (2015) zeigt, dass ein webbasiertes medizinisches Spracherkennungssystem die Dokumentationsgeschwindigkeit um 26 Prozent verbessert, die verfügbare Datenmenge erhöht und die Stimmung der Nutzenden verbessert. Moderne Anwendungen werten dabei die sprachbasierte Dokumentation KI-basiert aus und sortieren die Ergebnisse direkt in entsprechende Vorlagen für Befunde, OP-Berichte und Arztbriefe. 

Alexa im Praxistest

Neue Technologien können sich nur dann durchsetzen, wenn ihnen das Fachpersonal aufgeschlossen gegenübersteht und idealerweise bereits in die Einführung einbezogen wird. Eine Befragung der Universitäten Duisburg-Essen und Bochum zur Einstellung von Pflegefachkräften zur Nutzung sogenannter Smart Speaker, also Sprachassistenten wie Amazons Alexa oder Siri, zeichnet ein durchweg positives Bild. Diese Helfer leisten im Pflegealltag nützliche Hilfe, indem sie zum Beispiel Fragen beantworten, das Licht anschalten oder an Termine erinnern. Die Untersuchung widerlegte das Vorurteil vermeintlicher Technikaversion von Pflegenden, die ihren Beruf eher menschennah verstünden. Das größte Potenzial sehen die Befragten in der Kommunikation mit nicht-deutschsprachigen Patientinnen und Patienten. Als vorteilhaft beurteilen sie die Zeitersparnis durch den Wegfall unnötiger Laufwege, weil Pflegebedürftige schon vorab ihr Anliegen über Smart Speaker ins Stationszimmer übermitteln können, des Weiteren durch zusätzliches Aktivierungspotenzial für Patientinnen und Patienten etwa für Hobby, Unterhaltung und Musiktherapie. Vor allem aufseiten der Pflegeeinrichtungen verbindet sich mit neuen, KI-gestützten Technologien auch die Hoffnung, dem Fachkräftemangel etwas entgegensetzen zu können. 

Woran hapert es bei der Einführung von KI-Systemen?

Deutschland hängt im internationalen Vergleich bei der Entwicklung von KI-Anwendungen für den organisatorischen Bereich hinterher, konstatiert die Studie. Die Digitalisierung des Gesundheitswesens solle folglich dringend weiter vorangetrieben werden. Öffentliche Förderprogramme für KI-Anwendungen im organisatorischen Bereich müssten im Vergleich zur Förderung im klinischen Sektor aufgestockt werden, vor allem auch in der Pflege mit ihren großen Effizienzpotenzialen, fordern die Autorinnen und Autoren. Darüber hinaus bedarf es einer echtzeitfähigen IT-Infrastruktur in den Einrichtungen, um benötigte KI-Lösungen technisch bereitzustellen.

Beschäftigte, Patientinnen und Patienten einbeziehen

Auch Patientinnen und Patienten haben ein Recht auf frühzeitige Aufklärung über Nutzen und Risiken neuartiger KI-Technologien. Sie sollten nicht nur als Nutznießer möglicher Vorteile angesprochen werden, sondern bereits im Zentrum der Entwicklung von KI-Anwendungen stehen. Und schließlich muss auch der Schutz sensibler Gesundheitsdaten sichergestellt sein. Das A und O der erfolgreichen KI-Anwendung ist deren niederschwellige Einbettung in bestehende Prozesse und Bedarfe der Fachkräfte sowie der Patientinnen und Patienten. Das Autorenteam bringt es auf den Punkt: „Wenn KI-basierte Technologien und die daraus resultierenden Anwendungen nicht auf die Bedürfnisse der Anwendenden zugeschnitten sind, besteht die Gefahr, dass sie nicht genutzt werden.“

 

„Plattform Lernende Systeme, KI für bessere Abläufe in Medizin und Pflege. Anwendungen und Potenzial in organisatorischen Prozessen“, 38 Seiten. Download.

Die Plattform ist ein Netzwerk von 200 KI-Expertinnen und -Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft und wurde 2017 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gegründet. Für die vorstehende Studie zeichnet die Arbeitsgruppe Gesundheit, Medizintechnik, Pflege verantwortlich.

Schorr, Sabrina/ Klammer, Ute/Merkel, Sebastian: Einstellungen des Altenpflegepersonals zur Digitalisierung in der stationären Pflege am Beispiel „Smarter Lautsprecher“. In: IAQ-Report, 07/2024, 23 Seiten. Download.

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