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Hier wird sozialer Zusammenhalt im Alltag gelebt: in der Feuerwehr, in Kirche, Nachbarschaft und Landjugend. Gemeinsames Engagement für die Gemeinschaft ist auf dem Land noch häufig ganz selbstverständlich und ein entscheidendes Motiv für Menschen, dort leben zu wollen. Mancherorts aber ist das soziale Netz bedroht: Der nächste Supermarkt ist kilometerweit entfernt, das Schulgebäude steht leer. In solchen Dörfern und Kleinstädten ist das freiwillige Ehrenamt geradezu unverzichtbar für den Fortbestand des sozialen Lebens. Eine DIW-Studie untersucht die Strukturen des Ehrenamts auf dem Land und fordert die Politik zur Unterstützung auf.
Die Studie verknüpft Befragungsdaten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) zum Ehrenamt seit Beginn der 2000er Jahre bis 2017 mit der Typisierung ländlicher Räume des Thünen-Instituts. Diese Klassifikation unterscheidet nach dem Grad an „Ländlichkeit“ (z. B. Siedlungsdichte) und gemäß sozioökonomischen Indikatoren (z. B. Einkommen, Bildung).
Rund ein Drittel der Bundesbürger (32 %) ab 17 Jahren engagiert sich ehrenamtlich, darunter besonders viele in sehr ländlichen Räumen mit guter sozioökonomischer Lage: Mit 41 Prozent (2017) liegt hier der Anteil von Freiwilligen weit über dem Bundesdurchschnitt. Die Gründe dafür sieht Forscherin Burkhardt in der geringen Arbeitslosigkeit und im höheren Bildungsstand – beides wichtige Faktoren für ehrenamtliche Beteiligung. „Ein weiterer Grund könnte sein, dass diese strukturstarken Regionen attraktiver sind, gerade für junge, gut gebildete und potenziell engagierte Menschen.“ Wichtig sei auch die finanziell bessere Aufstellung solcher Kommunen, was eine substantielle Unterstützung ehrenamtlicher Strukturen ermögliche.
Bundesweit gesehen sind mehr Männer (33 %) als Frauen (30 %) freiwillig tätig, wenngleich letztere aufholen. In einigen ländlichen Regionen sind die Geschlechterunterschiede größer. In sehr ländlich aufgestellten Regionen in guter sozioökonomischer Verfassung sind es bis zu mehr als neun Prozentpunkte – weil Frauen hier „vermehrt in traditionell interpretierte(n) Rollenmuster leben, mehr in Kinderbetreuung und Hausarbeit eingebunden sind und schlechteren Zugang zu einem ehrenamtlichen Engagement haben“, schlussfolgern die Studienautorinnen.
Die Forscher*innen bestätigen eine Erkenntnis schon früherer Untersuchungen, wonach Menschen, die regelmäßig die Kirche oder andere religiöse Veranstaltungen besuchen, sich häufiger in der Freiwilligenarbeit aktivieren als Menschen ohne dieses Verhalten. Zum einen, weil in der Religion Werte wie Nächstenliebe und Gemeinwohlorientierung hoch im Kurs stehen, zum anderen, weil die Kirche als großer Anbieter ehrenamtlicher Dienste effektiver Mittler von Angebot und Nachfrage ist.
In ländlichen Räume mit einem niedrigeren sozioökonomischen Niveau ist die Freiwilligenkultur deutlich geringer entwickelt (30 %) als in bessergestellten Landkommunen (41 %, s.o.). Die strukturschwachen Regionen, die vor allem in Ostdeutschland liegen, sind häufig von Abwanderung, Überalterung und Arbeitslosigkeit betroffen. „In strukturschwachen ländlichen Gebieten gibt es dringenden Aufholbedarf beim ehrenamtlichen Engagement“, äußert Studienautorin Burkhardt. Hier bestehe politischer Handlungsbedarf, um die Daseinsvorsorge zu stärken: durch die Bereitstellung von Infrastruktur, Schaffung von Arbeitsplätzen und die Förderung der digitalen Infrastruktur.
Tuuli-Marja Kleiner / Luise Burkhardt, Ehrenamtliches Engagement:
Soziale Gruppen insbesondere in sehr ländlichen Räumen unterschiedlich stark beteiligt, DIW Wochenbericht 35/2021, Seite 571-579
Dazu ein Interview mit Studien-Mitautorin Luise Burkhardt, ebenda, Seite 580
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Angebote für Freiwilligenarbeit in ländlichen Regionen fördern, Teilhabe und Demokratie stärken, darum geht es in den Programmen „ZukunftsMUT“ der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt und „Demokratiestärkung im ländlichen Raum“ beim Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement.
Auf Initiative des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft arbeiten seit Kurzen 15 Forschungseinrichtungen in elf Projekten zu der Frage, wie das Ehrenamt auf dem Land gestärkt werden kann. Die einzelnen Projekte, Erkenntnisse und Fakten:
www.bmel.de/DE/themen/laendliche-regionen/ehrenamt/forschung-ehrenamt.html
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